Alle von der
SS kamen zuerst
mal in ein grosses Sammellager (
ca. 10 000 Mann ) auf eine grosse Wiese.
Nichts zum Essen und keine
Decken. Nachts war es hundekalt. Unsere Toilette
war ein langer Graben
mit einem Baumstamm darüber zum Sitzen.
Einen Marschbefehl, weiss ich noch, bekamen wir in einer Stadt,
wo auch eine
hübsche Burg gelegen war. Dort
feierten eine Menge ( auch )
hoher Offiziere eine wahre Alkoholorgie.
Einer hatte
wohl Mitleid mit uns, obwohl wir
zur SS gehörten, und stellte uns den lebenswichtigen Marschbefehl
aus. In einer
offenen Scheune war ein langer
Tisch aufgestellt.
Auf diesem Tisch tanzten Frauen, urinierten sogar in Sektgläser.
So etwas Wildes habe ich in meinem ganzen
Leben nicht wieder gesehen. Wir waren
wohl richtig geschockt. Wir
waren ja auch noch so jung und
nicht mal richtig aufgeklärt. Wir sind auch
bald nach diesem Burgbesuch weiter
nach Westen gefahren. Irgendwie kamen
wir nach mehreren Abenteuern, die ich
im Detail nicht mehr im Kopf habe,
in der Nähe von Kamp zum Amerikaner. Dort
mussten wir an so einem LKW vorbeifahren und unsere
Waffen auf diesen werfen. Ich warf
mein Gewehr drauf. Aber in meinem
jugendlichen Leichtsinn behielt ich meine 08 Pistole in
meinem Brotbeutel
bei mir. Dass war eigentlich
tödlicher Leichtsinn.
Meine vier Kameraden hatte ich schon
vorher aus den Augen verloren. Es war
ein grosses Lager im Freien. Meine SS -Runen usw.
hatte ich schon vor der Gefangenschaft abgetrennt. Im Lager kam dann
die Parole auf, dass das Lager geschlossen den Russen
übergeben werden sollte. Da habe ich meine
Siebensachen unter den Arm genommen und bin aus
dem
noch schwach bewachten Lager rausgeschlichen.
Dabei lernte ich einen Niederländer und einen Hamburger kennen,
die die selbe
Absicht hatten. Wir
sind nachher nur
Nachts marschiert. Abends versuchten wir,
etwas zu
Essen bei den
Bauern zu ergattern. Das
klappte auch meistens
ganz gut. Ich hatte zu allem Überfluss
auch noch so eine Art Ruhr. Wenn
die beiden Landser nicht gewesen wären, wäre ich
wohl elendig umgekommen.
Auch die Angst, in den Wäldern
von freigelassenen KZ
Häftlingen erwischt zu werden,
war gross. Weshalb und warum, begriffich erst später.
Uns dreien ging das zu
Fuss gehen mittlerweile zu langsam. Da sahen
wir vom Berg aus vor einem Bauernhof
einige Pferde weiden. Wir haben uns
nicht lange besonnen und uns drei
Pferde von der Weide geklaut.
Es waren
zwei russische Panjepferde und ein deutsches
Reitpferd. Gott sei
Dank hatten alle drei Pferde Mundstücke und Zügel,
aber keine Sättel.
Ich hatte noch nie auf einem Pferd
gesessen. Die beiden anderen
Landser hatten
da schon einige Erfahrung. Der Niederländer
und ich nahmen uns die
beiden Panjepferde. Das
Schlimmste war, wenn der Niederländer
mal mit seinem Pferd ein Trab vorlegte, dann
wollte mein
Pferd gleich immer hinterher. Die
beiden Panjepferdesind wohl längere Zeit ein
Gespann gewesen. Es
dauerte so seine Zeit,
bis wir beide uns
einig wurden. Wir ritten meistens am
Tag oberhalb der Verkehrswege.
Denn der Amerikaner war schon oft unten
auf den Strassen zu sehen.
Wir wollten weiter nach Westen. Zusammen
sind wir
ca. 200 km geritten. Abends machten wir
meistens für die Nacht bei
Bauern Rast. Die Gegend war voll
von Flüchtlingen, die meistens
beiden Bauern unterkamen. Mein Hintern war so
wund geritten, dass ich noch knapp
laufen konnte. Aber meine beiden Kameraden hatten mich
immer rührend
versorgt. Im Stall hiess es immer:
"Hosen runter!" Ein Eimer Wasser
hinten drauf und ein paar Händevoll
Mehl (selten knappes Puder) hinterher.
Mittlerweile hatten wir uns Wolldecken
als Reitsättel zurecht
gemacht. Zusammengebundene Lederriemen
dienten als Steigbügel. Das war schon mal eine
grosse Erleichterung. Es
rutschte natürlich ein bisschen hin
und her.
Meine beiden Freunde waren in der Nacht
meistens bei irgend welchen
Frauen. Ich musste immer schön
brav in der Scheune schlafen, bis die
beiden wiederkamen. Am frühen Morgen
ging es wieder in die Berge. Ich hatte
immer noch meinen Durchfall und musste
oft Halt machen. Meine beiden
Freunde haben immer gewartet.
Alleine hätten sie
es wohl auch leichter gehabt. Einmal haben wir
einen ganzen Tag Pause gemacht, denn
unsere treuen
Pferde brauchten auch mal
eine längere Pause. Meine Freunde hatten
mich bei einer jungen Frau untergebracht.
Diese wollte gerne,
wenn ich
wollte, dass ich bei ihr
bliebe, bis sich alles
normalisiert hätte. Aber
abends ging sie zu irgend
einen Amerikaner, die in der Nähe stationiert
waren. Da
ging ich doch lieber mit meinen Freunden weiter. Die beiden
hatten das Bleiben bei dieser Frau
eingefädelt. Auf
unserem Ritt trafen wir
auch viele andere Landser,
die sich wie wir
schon Räuberzivil besorgt
hatten. Da
gab es Typen mit grossem Einfallsreichtum, um
sicher weiter nach Westen zu
kommen. Bei einer Rast auf einem Bauernhof lernten wir so einen
kennen. Der hatte sich irgend wie
einen
Leiterwagen beschafft. Das Pferd dazu hat
er wohl auch nicht geschenkt bekommen.
Aber so konnte er ganz frech
die Strassen benutzen.
Die Ami`s, die vorbeifuhren, grüsste er
immer. Die dachten wohl, dass ist einer von
irgend einem Bauernhof in der Nähe.
Er sagte uns, das er sogar
von der
amerikanischen Militärpolizei, dieauf
Kreuzungen stand, eingewiesen wurde.
Wir mussten
uns aber weiter in den Bergen
fortbewegen. Wir stiessen einmal auf eine
Gruppe Landser mit fast 50 Pferden.
Diesen schlossen wir uns kurz an.
Ein Offizier führte
diesen Haufen an. Der kannte viele
Schleichwege. So ein Haufen von
50 Pferden und Reitern war schon
imponierend, aber auch höchst riskant. Wir haben
uns bald wieder in kleinen Gruppen getrennt.
Irgendwann später machten
wir in einem
kleinen Dorf Rast bei einem
grösseren Bauern.
Dieser Bauer hat für uns den Tisch
reichlich decken lassen.
Vom Ami weit und breit nichts
zu sehen. Das
Risiko erwischt zu werden, wurde
aber immer grösser. Wir entschlossen
uns, dem Bauern
die Pferde gegen Gebot zu verkaufen. Wir
bekamen
einen geräucherten Schinken und mehrere hundert
Zigaretten. Ich glaube,
dass ich
Tränen in den Augen hatte als ich
Abschied von meinen treuen Pferd nehmen
musste.
Mit einem Mal war
der Ami auf dem Hof und
wollte uns gefangen nehmen. In der Zeit, als wir beim
Essen waren, hatte der Bauer
sich durch die Hintertür auf die
Socken gemacht und beim Ami
Bescheid gesagt,
das da drei Soldaten bei ihm auf dem
Hof sind. Es waren nur ein paar
Ami`s im Dorf. Meine Pistole
hatte ich schon länger nicht mehr.
Wehren wollten wir uns sowieso nicht. Die
Ami`s nahmen uns dann bis zu dem
Haus mit, wo sie sich einquartiert
hatten. Wir drei mussten uns dann auf der
Strassenseite des Hauses hinsetzen und der Dinge harren.
Die Ami`s gingen dann erst
mal rein und haben sage und
schreibe erst mal Mittag gegessen. Wir
sassen ganz ohne Bewachung draussen.
Aberauszurücken wagten wir auch nicht. Wenn
ich hätte Englisch sprechen können, hätte ich
glatt gefragt, ob ich noch mal zum
Hof
zurückgehen könnte, um etwas Vergessenes zu
holen. Ich hätte
den Bauern zu gerne eine Weile mit
der Mistgabel bearbeitet.
Denn das war einfach zuviel für mich.
Essen geben, Pferde
abkaufen und uns dann verraten und sich
so einen Namen machen wollen. Der Ami,
auch später in Gefangenschaft,
hat auf solche Typen nie richtig
reagiert oder diese für voll
genommen. In meiner Dummheit und
Angst hatte ich mein Wehrmachtssoldbuch weggeworfen.
Denn da war ja auf irgend einer Innenseite
der Stempel der SS - Einheit drin,
zu der man uns ja gegen unseren
Willen eingezogen hatte. Es war ja bekannt,
dass man mit Angehörigender SS nicht
zart umging. Meine Freunde und
ich blieben aber noch zusammen.
Dann kamen wir in ein Sammellager. Dort wurden wir
erstmal sortiert,
Arme hoch und nach tätowierten Blutgruppen
gesucht. Diese kamen erst mal
rechts raus. So wurde ich von meinen
Freunden und dem Schinken getrennt. Abschneiden
oder teilen ohne Messer,
die man uns abgenommen hatte,
konnten wir nicht. Wir sahen uns leider nie
mehr wieder.
Alle
von der SS kamen zuerst mal in ein
grosses Sammellager (ca. 10 000
Mann ) auf eine grosse Wiese. Nichts zum Essen und keine Decken.
Nachts war es hundekalt. UnsereToilette war ein langer
Graben mit einem Baumstamm darüber zum Sitzen.
Das war eher immer ein Balanceakt. Denn man konnte sich ja nirgend wo
festhalten. Wir waren auch grösstenteils
sehr geschwächt. Das Einzige, was
wir hatten, waren Läuse. Da sass ich
dann am Tag, wie
andere auch, wenn die Sonne schien, und
knackte Läuse. Mittlerweile wurden
Gruppen eingeteilt mit Kurieren. Denn
es sollte Verpflegung geben. Es gab,
kaum zu glauben,
für 100 Mann eine Dose Rindfleisch und
für 50 Mann ein Brot. Da halfen mir meine
Zigaretten viel, denn ich
konnte hier und damal ein kleines
Stück Brot eintauschen. Die Einwohner des
nahegelegenen Ortes ( leider den
Namen vergessen) warfen auch schon
mal Brot zu uns
herüber. Das war für uns mehr
als ein Geschenk des Himmels.
Dieses Brot wurde
auch nach strengen Regeln verteilt.
Es wurden auch fast die Krümel gezählt.
Wie viele gestorben sind, weiss ich nicht.
Etagenbetten im Dauerlauf Tragen
Mancher musste auch
aus unserem Latrinengraben geholt werden.
Es muss ja
für den Ami wohl schwer gewesen sein,
plötzlich so viele Gefangene zu
versorgen. Aber da alle von der SS
waren,
hat er sich wohl mit der Versorgung nicht
überschlagen.
Dieses Lager hat mehrere Wochen gedauert.
Einmal kam ein Amerikaner und suchte über 1000 Freiwillige,
die einen Stechschritt marschieren
konnten. Der Ami
wollte mal gerne so etwas
filmen.
Für die Beteiligten sollte es Sonderverpflegung und Zigaretten
geben. Er bekam seine Freiwilligen und
konnte filmen. Ein deutscher höherer Offizier wollte mir mal befehlen,
vor einer amerikanischen Baracke zu harken.
Ich war aber einfach zu flau
und verweigerte dieses. Da bekam ich
eine
kraftige Ohrfeige von diesem Offizier.
Da standen dann
viele Mitgefangene auf und nahmen eine drohende Haltung diesem Mann
gegenüber ein. Gott sei
Dank lief alles ruhig ab, denn der
Ami hätte glatt
mit seinem MG dazwischen gefunkt. Nach gut zehn
Wochen kamen wir in mehrere,
verschiedene andere Lager. Ich kam auf einen
ehemaligen Flugplatz. Da wurde
von uns
dann ein einem ehemaligen Hangar auf halber Höhe
der
Halle ein Fussboden eingezogen.
Da wurden wir dann untergebracht. Läuse
waren durch Entlausung auch weg.
Die Verpflegung wurde auch etwas besser.
Leider
habe ich auch den Namen des Flugplatzes vergessen.
Wir haben auch da
noch auf dem Fussboden schlafen müssen.
Wir, die auf dem
Zwischendeck schliefen,
hatten es nachts ein bisschen
wärmer. Wir wurden dann nach kurzer Zeit
nochmals auf andere Lager verteilt.
Ich kam nach Plattning in Nieder Bayern.
Zuerst in Zeltevon unseren eigenen
Planen die wir noch
hatten. Eine Dreiecksplane gehörte mal zu unserer
alten Ausrüstung. Wenn sich vier zusammentaten
ergab es ein Zelt fürvier Personen, war
aber sehr eng. Aber wir
hatten wenigstens ein Dach über den Kopf. Bei
Regen war es schon schlechter,
denn die Planen hielten ja
nicht dicht. Die Verpflegung war
auch sehr knapp
bemessen. Butter war so gross wie ein
Zuckerwürfel
(proTag). Jeden Tag wurde zur Arbeit
marschiert, vorne weg die Offiziere.
Die hatten es am besten,
denn da konnte man die Kippen der
weggeworfenen Zigaretten der Ami`s
einsammeln. Bald kam
auch eine Beschwerde der anderen Soldaten
an den Kommandanten des Lagers,
man möchte auch mal andere vorne marschieren lassen.
Dies wurde aber nicht geändert. Neben
mir stand beim Antreten oft ein Österreicher.
Der hatte eine Sicherheitsnadel, mit der
spiesste
er die gefundenen Kippen auf und konnte
diese so fast bis auf
zwei Milimeter zu Ende rauchen. Dieser
Österreicher sammelte auch in
den Mülleimern der amerikanischen Küche leere Lebensmittel
Dosen und kochte diese mit Wasser
aus zu einer fürchterlichen Brühe.
Aber der Magen hatte
wenigstens etwas zu tun.
Wir bauten hier ein riesiges
Barakkenlager mit zwei und dreistöckigen Betten auf. Später zogen wir da selbst rein.
Es waren immer
grosse Blocks für rund 1000 Mann.
Zehn solcher Blocks wurden gebaut. Jeder
Block hoch mit Stacheldraht eingezäumt.
Diese Blocks hatten eine Grösse von
100 x 100 Meter. Ich arbeitete
meistens beim Fussbodenverlegen.
Wir legten Holzfussboden. Das war
auch nicht so anstrengend. Auch stand
der Posten nicht immer daneben.
Ich habe auch mal mit dem
Österreicher beim
Betten zusammenbauen gearbeitet. Das war ein
harter Job. Denn wenn so ein Bett
fertig war, musste es im Dauerlauf mit
4 Mann zu einer Sammelstelle getragen werden.
Wenn der Posten nicht guckte, sagte ich immer:
"Lauf doch mal ein bisschen langsamer!"
Aber mein Österreicher hatte immer die
Hosen voll und trieb uns mit an.
Der Ami schoss schon mal, wenn es
zu langsam ging,
eine Salve über uns weg.
Die Bewacher des Bettenkommandos waren meist jüdischer Herkunft.
Es
war ein ganzer Teil der Bewacher dabei,
die Angehörige im
KZ verloren hatten. Meistens aus Polen,
Deutschland oder Frankreich.
Das bekam man aber erst nach
und nach zu wissen.
Richtige Vorstellungen von einem KZ hatte ich
sowieso nicht. Die ersten Bilder des Greuels
bekam ich bei
diesem Bettenkommando zu sehen. Ich wurde
da von zwei Bewachern gerufen die auf
so einem zweistöckigen Bett sassen. Als
ich vor ihnen stand, zeigten sie
mir der eine neue Illustrierte,
die voll von grausamen
Bildern aus einem befreiten KZ war.
Seine Eltern waren auch
in Polen
umgekommen. Wohl war mir nicht dabei. Der andere Ami
neben ihm verhielt sich sehr zurückhaltend.
Dann holte mit einem Mal der wütende
Ami mit dem Fuss aus und wollte mir
mit seinem grossen Stiefeln ins
Gesicht treten. Dieses hat der andere
Ami in letzter Sekunde verhindert.
Ob ich da wohl froh war? Mit meinen
16 Jahren sah ich wohl mehr wie
ein Kind als ein Mann aus. Ich wurde
dann auch gleich wieder zum Arbeiten
geschickt. Wie leichtsinnig man mit unter
war, zeigt ein anderes Beispiel: Da hatten
wir einmal einen Bewacher, der schoss
gern auf Dosen und ähnliches.
Von dem wurde ich mal gefragt, ob er
mir eine Zigarette aus dem Mund schiessen
durfte. Ich willligte in meinem jugendlichen
Leichtsinn ein. Er schoss
und es ging alles gut. Ich glaube,
ich bekam ausser Zigaretten auch Schokolade von
ihm. So etwas macht man nur einmal. Später
suchte der Ami für seine Kolonne die Leute,
dieer haben wollte, selber aus.
Ich wurde immer von einem geholt, der den
Kraftfahrzeugpark des Bataillones unter sich hatte.
Ich wurde von ihm "Sneip" genannt.
Morgens wenn er kam und seine
Leute holte, sagte er ständig zu
mir: "Snipe(Sneip), come on". Ich konnte ja nicht
viel englisch. Bei unserer
Unterhaltung pfuschte immer ein
anderer Gefangener dazwischen und wollte
übersetzen. Später erzählte mir der Ami, das er
keine Kinder habe und in Amerika eine grosse
Autowerkstatt mit Tankstelle besässe. Ob
ich nicht mit
ihm nach Amerika kommen wollte.
Ich wollte aber endlich mal wieder nach
Hause und so wurde aus
diesem einmaligen Angebot dann nichts.
War vielleicht ein Fehler,
wer weiss?? Mittlerweile wurde unser
Barackenlager auch bezugsfertig. Das Lager hatte
eine breite Strasse in der Mitte.
Links und rechts der Strasse waren
jeweils fünf Lager zu jeweils 1000
Mann. Das ganze war rund 500
bis 800 Meter lang. Jedes
Lager hatte zur Strasse einen eigenen
Eingang. Die Strasse war nur zu einer
Seite offen und
durch ein grosses Haupttor gesichert.
Tor und Aussenzaun waren natürlich streng
bewacht.
Im ersten Lager rechts vom Haupteingang
war die deutsche Lagerleitung drin. Ich
bekam durch grosses Glück einen
Job als so eine Art Bote bei der
Lagerleitung. Ich brachte Order
und Mitteilungen der Lagerleitung in die
verschiedenen
anderen Lager. Diese wurden
auch erst nach und nach mit Gefangenen
aus allen Ecken der amerikanischen Zone
gefüllt. Es war auch ein Lager
mit Russen da.
Das gesamte Lager, rund 10000 Mann, waren
alles ehemalige SS Angehörige.
Es mögen auch nochandere Nationalitäten
da gewesen sein. Ich habe
hauptsächlich noch die Russen in meiner
Erinnerung. Der Lagerleiter im
Rang von einem Oberstleutnant hiess Cäsar
(oder Zäsar).
Sein Stellvertreter Oberstleutnant Neumann, ein Fahnenjunker,
und ich teilten uns einen
grösseren Schlafraum. Jeder
hatte sein Zwei-Etagenbett. Abgeteilt hatten
wir unsere Ecken mit Wolldecken. Wir hatten
es uns
so richtig gemütlich zurecht gemacht.
Wir hatte es im Lager besser als viele
Menschen ausserhalb Ich war
natürlich für die Sauberkeit zuständig. Unsere
Betten haben
wir selber gemacht. Der Lagerleiter Cäsar
war ein ehemaliger Rittergutsbesitzer.
Im Lager erfreute er sich grosser
Beliebtheit. Sein Vertreter,
Neumann, war dagegen ein aalglatter Typ.
Von mir wollte er immer einiges in Erfahrung
bringen über Cäsar und sein Tun und
Lassen wissen.
Da musste ich
immer sehr vorsichtig sein.
Er äusserte sich immer gegenüber dem
Fahnenjunker (Namen leider vergessen),
dass er eigentlich Kommunist sei.
Der Lagerleiter und Vertreter waren schon
über 50 Jahre alt.
Der Fahnenjunker war ungefähr 24 Jahre alt.
Er war Journalist und wollte, wenn er
wieder Zuhause war,
wieder seinen Beruf ausüben. Das
Zimmer nebenan
von uns war auch von einem äusserst
interessanten Mann belegt. Der war
Leutnant oder
Oberstleutnant. Seine Funktion
in der Lagerleitung war es hauptsächlich zu
dolmetschen. Hier tut es mir besonders leid,
das ich den Namen vergessen habe.
Das war soein richtiger Abenteuertyp und Frauenheld
noch dazu, wie sich später herausstellte.
Ihm waren an beiden Füssenalle
Zehen abgefroren. Wie er mir erzählte, war er
früher mal Rollschuhkunstläufer gewesen. Er hatte sich
mit einem amerikanischen Offizier angefreundet.
Die beiden hatten sich etwas
Unglaublicheserlaubt. Das Lager existierte
ja schon einige Zeit . Verpflegung, Unterkunft,
alles war mittlerweile als sehr gut geworden.
Zigaretten gab es auch. Zigaretten
wurden unsere Hauptwährung. Durch die
Marketender Zigaretten sank natürlich der Tauschwert
dieser Währung.
Nun zu den
beiden Offizieren und ihren unglaublichen
Abenteuern. Anders kann man das wohl nicht
nennen. Da kam eines Abends
der amerikanische Offizier,
wie sonst auch, mit dem Jeep
angefahren und besuchte den SS Offizier.
Nur diesmal sassen bei der Wegfahrt zwei Offiziere in amerikanischen Uniformen im Jeep.
Da hatte der
Ami tatsächlich für seinen deutschen
Freund eine amerikanische Offiziersuniform
mitgebracht. So sind
sie dann auch nach München gefahren und haben
Mädchen aufgerissen.
Ich konnte kaum glauben was ich da
gesehen hatte. Das haben die beiden
mehrere Male gemacht.
Dieser gefährliche Leichtsinn ist glücklicherweise
nie
entdeckt worden. Auch von deutscher Seite nicht. Für den Ami
hätte das wohl
den Ausschluss aus der Armee bedeutet
oder mehr, wenn man die
beiden erwischt hätte. Der Ami war
sowieso nicht zimperlich bei der Bestrafung.
Durch meine Arbeit als Bote
und Überbringer hatte ich sehr viele
Freunde und
Bekannte im Lager, aber auch
misstrauische Neider. Ich konnte ja
mit meinem Ausweis in jedes
Lager gehen und Besuche machen. Das
war sonst für die anderen streng verboten. Aber
immer aus der Lagerleitung zu
verschwinden, war auch für mich
nicht zu jeder Zeit möglich.
In einem Lager, wo ich
öfters mal war, gab es etwas
besonderes Trauriges zu sehen. Da waren
drei junge Soldaten, nicht viel älter
als ich,
die schwer kriegsverletzt waren. So etwas
habe ich auch später
nie wieder gesehen. Bei zwei von
den
dreien waren beide Arme und Beine
weg. Nur noch der Rumpf und der Kopf
waren da. Diese beiden waren trotz
ihres Schicksals voll
unglaublicher Dinge und Witz. Die beiden waren
auch von ihren Kameraden aufopfernd
und rührend umsorgt.
Die Kameraden hatten auch alle
möglichen Hilfsmittel zur Lebenserleichterung für die
beiden gebaut. Der Ami
nahm sogar regen
Anteil an diesen vom Schicksal so
hart betroffenen
jungen Menschen. Wenn diese beiden nicht so
enorm gut versorgt gewesen wären,
hätte der Ami diese Menschen
in ein Krankenhaus gebracht.
Wie lange ein Mensch so leben kann,
weiss ich nicht. Der Dritte hatte es etwas leichter,
weil er noch seine beiden Arme
hatte. Für den hatten seine
Kameraden so ein Brett mit
Rädern gebaut.
Damit konnte er sich wenigstens in der
Baracke bewegen. Bei den Russen war
ich auch immer gerne. Bei denen war es wie in
einer
richtigen Dorfgemeinschaft. Die
hatten sogar einen Pastor da.
Der Pastor lebte
in dem Lager sogar mit seiner Frau
zusammen.
Zum Schluss sang die Frau des Pastors:
"Heimat deine Sterne" Dieses Ehepaar hatte mit einigen anderen
auch mal
ein Theaterstück einstudiert. Es konnte mit
der Erlaubnis der
Ami`s aufgeführt werden. Wir von der
Lagerleitung waren bei der Urauführung
dabei. Es mögen
500
Zuschauer dabei gewesen sein. Es war natürlich
nur eine bestimmte Anzahl
auf einmal erlaubt . Es gab viel Beifall.
Aber dann, zum Schluss des Stückes,
sang die Frau des Pastors (einzige
Frau im Lager) : "Heimat deine Sterne"
Da flossen Tränen.
Aber als die schöne Russin
mit dem Lied zu Ende war,
folgte ein Beifall,
Geschrei und Getobe, dass der Russin
wohl der Angstschweiss ausbrach.
Das hörtesich auch beängstigend an.
Das hatte sogar den Ami
auf die Beine gebracht. Der
kam mit einem Wagen voller Soldaten an,
um den vermeintlichen Aufstand niederzuschlagen.
Aber er brauchte
mit seinen durchgeladenen MP`s nicht einzugreifen,
als er hörte, was die Ursache war. Das war
so ein Erlebnis, was man nicht vergisst !
Das Lager selbst,
war noch streng bewacht.
Bei den Arbeitskommandos, war die
Bewachung nicht mehr ganz so streng.
Es haute aber auch keiner ab. Denn
erstmal
wollten alle ordnungsgemäss mit Papieren
entlassen werden, sonst bekamen sie draussen keine
Lebensmittelkarten usw. und die vielen anderen Soldaten,
die aus den ehemaligen Ostgebieten kamen,
wehrten
sich halbwegs gegen eine Entlassung, da sie ja
kein Zuhause mehr hatten. Das
war natürlich ein besonders hartes Schicksal
für diese Menschen. Ich glaube, wenn
der Ami mal für
ein paar Tage seine Bewachung
aufgegeben hätte, wäre
keiner getürmt. Denn wir
hatten es mittlerweile
im Lager besser, als die meisten
Menschen ausserhalb des Lagers. Ganz zu schweigen
von den Flüchtlingen, die im Lager lebten.
Es gibt, wie überall,
immer wieder Menschen, die ihre relativ
gute Lage übel ausnutzten. So auch dieses fast
unglaubliche Erlebnis. Es war
mitten in der Nacht, als uns der Ami schwer
bewaffnet aus den Betten jagte. Da war folgendes
passiert:
Die Arbeitskolonnen
gingen morgens immer in 10 er Reihen zum
Zählen durch das
Haupttor zur Arbeit oder zum LKW, wenn weiter
entfernt gearbeitet wurde. Dabei
hatten es einige bei ihren Jobs
fertiggebracht, mehrere Frauen kennen zu
lernen. Diesen Frauen, fünf bis
zehn, haben sie dann Lageruniformen
angezogen und die gleiche Anzahl Landser
draussen gelassen. Die Frauen
wurden in diesen Zehnerreihen
mituntergebracht und so durch das Haupttor mit
eingeschleust. Der Ami
hatte nichts bemerkt. Am nächsten
Morgen sollte
dann alles wieder getauscht werden. Ob da
Frauen bei waren, die
zu ihren Männern wollten, kann ich
nicht mehr
sagen. Jedenfalls hat dieses wohl
irgend jemand den Ami wissen lassen.
Der Ami ist dann in die
betreffenden Unterkünfte gestürmt und hat
die Frauen, so wie sie
waren, aus den Betten geholt. Am
Ende der Strasse hat er dann einen
Stacheldrahtverhau gespannt. Dahinter mussten alle
Frauen, nackt oder mit Hemd
bekleidet, verschwinden. Dazu wares auch
noch lausig kalt. Was mit
den Männern geschah weiss ich nicht mehr.
Das allerschlimmste für die Frauen war, das
am nächsten Morgen alle Männer des
gesamten Lagers
da vorbei marschieren mussten. Ich
erinnere mich, das die meisten von
den draussen gebliebenen Landsern ins Lager
zurückgekommen sind. (
Strafen unbekannt) Der Ami war natürlich stocksauer.
Alle Vergünstigungen für das gesamte
Lager sollten gestrichen werden. Unsere
deutsche Lagerleitung hat grosse Anstrengungen unternommen,
um alles einigermassen human verlaufen zu
lassen. Das Ganze war eine "Dummheit hoch
drei". Der Ami wurde natürlich strenger bei
den Arbeiten ausserhalb des Lagers. Zu allen
Lagern
muss ich sagen, das
der Ami uns immer verhört hat, um KZ
-
Bewacher und andere hohe Funktionäre
ausfindig zu machen. Aber
die meisten hatten sich wohl
mit falschen Papieren eingedeckt, und waren in
der Masse untergetaucht. Ab
und zu erwischten sie aber doch einen. Wir
im
Lager hatten schon sehr viel ausgediente
Uniformen der Ami`s an. Es musste gross
hinten, PW ( POW ) auf dem Rücken stehen.
Da waren die Gefangenen
sehr erfinderisch: Die Buchstaben
wurden meistens mit Zahnpasta geschrieben.
Wenn der Ami seine Kontrolle beendet
hatte, konnte man die Zahnpasta
wunderbar wieder auswaschen. Weihnachten 1945
war ich noch in Plattling. Da
gab es natürlich für die
meisten Gefangenen das grosse Heimweh. Es gab
viele,
die ihre Angehörigen und ihr Zuhause bereits
ein bis zwei Jahre
schon nicht mehr gesehen hatten.
Das Weinachtsfest selbst
war wunderbar gestaltet. In
der Lagerleitung war dieses natürlich besonders
schön,
weil wir nicht so viele Landser
waren und uns alle persönlich
kannten. Aber ein Weihnachtslied zu
singen, fiel wohl alle wegen eines Klosses
im Hals schwer. Um diese Zeit herum
war es wohl auch, als
wir zum erstenmal nach Hause schreiben
durften.
Meine Eltern hatten ja seit Weihnachten 1944 nichts
mehr von mir gehört. Wir bekamen
spezielles Briefpapier vom Ami geliefert.
Da konnte man sogar mit Feder und Wasser
drauf schreiben. Wo das Papir
feucht wurde, wurde
es tintenblau. Zensiert wurde unsere Post auch.
Aber unsere Angehörigen bekamen
endlich Post von uns. An Silvester habe ich
keine Erinnerung
mehr. Es war natürlich strengstes
Alkoholverbot. Aber ich glaube,
unser Nachbar in der Baracke nebenan,
der mit dem Ami befreundet war, hatte
eine Flasche Schnaps gehabt.
Dieser Mann war wirklich ein
Lebenskünstler. Er konnte einfach aus
jeder Situation das Beste machen. Etwa Mitte
Januar 1946 hies es, wir kämen
in ein anderes Lager. Die Parole ging um,
das Flüchtlinge in dieses Lager kommen sollten. Ob
was an dem Gerücht dran war,
habe ich nie erfahren. Aber ob das Lager
ganz aufgelöst wurde, weiss ich nicht
mehr. Ein Teil anderer Kameraden
und ich, fuhren mit grossen dreiachsigen LKW`s
und verrückten Fahrern
zum ehemaligen KZ Dachau. Ganz wohl war uns sicher nicht
dabei. Aber es
wurde nicht so schlimm, wie wohl einige
erwartet hatten. Ich kam in eine Baracke, die
unmittelbar neben dem Aussenzaun und gegenüber
von dem grossen Wirtschaftsgebäude lag. Wir waren
ungefähr sechs bis acht
Jugendliche, die sich in einer Ecke in den
dreistöckigen Betten ihre Bleibe so gut es ging
aufbauten. Die anderen waren alles
schon ältere Soldaten in unserer Baracke. In dem ganzen Lager
waren natürlich nur SS-Angehörige. Es
fehlte auch kein Dienstgrad. Wir
hatten einen ganz besonderen Typ
eines Untersturmführers (Leutnant) in
unserer Baracke mitwohnen. Erstens war
er Blutordenträger. Er hatte
in den dreissiger Jahren den Marsch mit Hitler
zur
Feldherrenhalle
mitgemacht. Dieser
war blutig niedergeschlagen
worden, und es hatte allerhand Tote
unter den Anhängern
Hitlers gegeben. Die Überlebenden haben
dann diesen berühmten Blutorden bekommen.
Es mögen zwischen 10- 20 Leute
gewesen sein. Eine genaue Zahl
der Überlebenden könnte man wohl durch
Nachforschungen herausbekommen. Für
meinen Erlebnisbericht wohl auch nicht so
wichtig. Diesen Blutordensträger hatte
man zu seinem Orden auch noch
zum Untersturmführer ehrenhalber befördert. Wer
ihn kannte, konnte darüber nur
mit dem Kopfschütteln, denn es reichte
bei dem eigentlich nicht mal
zum Gefreiten. Fanatisch war er immer
noch und ebenso jähzornig. Wir Jungen
hatten mal vor dem Wecken seine
Holzschuhe festgenagelt. Wecken, Aufstehen
und Zählappel vor der Baracke musste
immer schnell gehen. Wir waren schon angetreten,
da hörten wir
aus unserer Baracke einen Höllenspektakel. Unser
Untersturmführer war
in die festgenagelten Schuhe gesprungen und
hatte eine deftige Bauchlandung
gemacht. Aus Wut darüber hatte er
angefangen, die ganze Bude zu demolieren.
Die Ami`s luden ihre MP`s durch und stürmten
die Bude. Die hätten ihn glatt
erschossen, wenn er den Arm gegen sie
erhoben hätte. Aber es
ging glimpflich ab.
Er musste alles wieder aufräumen. Mit
uns hat er nie wieder gesprochen.
Sonst war die Behandlung im Lager
nicht schlecht. Die Verpflegung
war nicht überreichlich, aber gut.
Mit der Unterkunft waren wir sehr
zufrieden. Ab und zu gab es
auch mal Theateraufführungen im Speisesaal
der Wirtschaftsbaracke. Es gab auch
Arbeitsmöglichkeiten ausserhalb des Lagers. Bei
so einem Kommando auf
einem riesigen Benzinverladebahnhof in München
war ich eine ganze Zeitlang mit dabei.
Das Schönste dabei
war, mal Zivilbevölkerung zusehen.
Von den LKW`s winkten wir immer
den Mädchen zu. Abends in der
Baracke wurde dann gestritten, welches Mädchen
zu wem gewunken hatte. Es gab in
diesem Lager sicher eine Menge Gefangener,
die andere Sorgen hatten. Am anderen Ende des
Lagers sollen ein ganzer Teil ehemaliger KZ
Aufseher untergebracht gewesen sein. Unserer Baracke
gegenüber war durch eine hohe Mauer besonders
abgesichertes flach gemauertes Gebäude. In
diesem Gebäude mit
Zellenfenstern waren die berüchtigte Ilse Koch und
andere untergebracht.
Irgendwann erzählte man, dass der Duce
Befreier Skorzeny ins Lager eingeliefert
worden sei und auch in
diesem besonders gesicherten
Trakt untergebracht worden sei.
Wir hatten
bald spitz,
das man wunderbar vom Dach des Wirtschaftsgebäudes aus,
auf die Zellenfenster gucken
konnte. Die meisten taten es nur,
um mal wieder Frauen zu
sehen. Einige der
inhaftierten Frauen waren auch nicht
kleinlich im Vorzeigen ihrer Reize.
Das wirkte irgenwie komisch: Hermann Göring
von weissen Helmen eingerahmt Die wohl interessanteste Begegnung hatte ich
(wir) bei einem Theaterbesuch im Wirtschaftsgebäude.
Wir hatten uns schon gewundert, warum
mehrere Bankreihen nicht besetzt waren. Da
wurde tatsächlich Hermann
Göring, bewacht von 20 bis 30
Militärpolizisten, eingeführt.
Die Bewacher setzten sich im Viereck (
nicht auf Tuchfühlung) um Hermann Göring
herum. Das
wirkte irgendwie komisch; Göring
von weissen Helmen eingerahmt. Wieso
Göring nach Dachau kam, war nie zu
erfahren. Ob
dieses in der Prozess Pause in Nürnberg
immer gemacht wurde,
oder warum auch immer, war einfach nicht
zu
erfahren. Ich sah jedenfalls Hermann
Göring das dritte Mal in meinem Leben.
So eine hohe Figur in Gefangenschaft zu sehen, war
schon eine Sensation.
Einmal wurde ein grosser Teil des
Lagers aufgerufen,
sich draussen zu versammeln.
Da wurde uns von einem gut
deutsch sprechenden amerikanischen Offizier
ein deutscher SS General vorgeführt.
Den hatte man draussen,
in einer Gärtnerei arbeitend, aufgestöbert.
Dieser wurde
nach allen Regeln der Kunst vom Ami vor versammelter Mannschaft
lächerlich gemacht.
Für diese hohen
Dienstgrade gab es einen besonderen
Trakt im Lager. Hätte man diesen General bei
uns untergebracht, hätten wir
bestimmt auch mal seine Schuhe
vor dem morgentlichen Zählappel festgenagelt.
Wir
kamen auch ohne diese Leute gut zurecht.
Wenn die Ami`s von
unserem überdrehten Blutordensträger gewusst hätten,
wäre dieser
wohl auch gesondert untergebracht
worden. Vielleicht wussten sie es,
haben ihn aber, wie wir anderen auch,
nicht für voll genommen.
Das war eigentlich die schönste
Bahnfahrt meines Lebens Heute bereue ich es,
das ich meine Erlebnisse nicht
schon früher aufgeschrieben habe.
Denn heute sind doch viele Erlebnisse ( Namen,
Daten, Verhörmetoden usw. )
auch durch gewollte
Verdrängung, einfach aus dem Gedächtnis
verschwunden.
Aber auch in der Kriegsgefangenschaft
sprachen wir so gut wie gar nicht über unsere
Kriegserlebnisse. Für uns jüngere
war die Gegenwart und
die ungewisse Zukunft viel interessanter.
Wir brachten uns auch gegenseitig
Tanzschritte bei. Denn wie wir hörten,
soll draussen feste getanzt werden.
Das war wohl auch mit einer unserer
grössten Wünsche: ein Mädchen im
Arm zu halten. Eine Zeitlang hatte
ich auch in einer grösseren Schmiede
gearbeitet. Das war für mich,
als angelernter Maschinenschlosser ganz
gut. Denn ich hatte ja
noch nicht ausgelernt. Die machten
da viel Kunstschmiedearbeiten für die Ami`s.
Leider war ich nur kurze Zeit
dort. Aber andererseits war
ich auch wieder froh darüber, denn
der Schmied war ein grosser Klotz
und ging nicht gerade sanft mit
mir um. Trotzdem hätte ich ganz
gerne in der Schmiede noch dazugelernt.
Denn im Nehmen war
ich auch nicht gerade zimperlich.
Aber irgendwie wurde
ich woanders eingeteilt. Hauptsache war,
das man immer irgend eine
Beschäftigung
hatte und keine Langeweile aufkam.
Obwohl wir im ehemaligen KZ
Dachau untergebracht waren, hat man nie
während unserer dortigen Gefangenschaft versucht,
uns das Grauen, das dort mal
stattgefunden hat, zu übermitteln. Mit
höheren Dienstgraden und überführten
ehemaligen Aufsehern, ist das sicher
anders gewesen. Wir haben dies aber
nie erfahren.
Überführte haben sich gehütet, im
Lager darüberzu sprechen, denn sie wollten
auch im Lager aus naheliegenden Gründen
sicher unerkannt bleiben. Einiges
über das KZ kam natürlich auch
bei unseren Verhören durch den
amerikanischen Verhöroffizier zur Sprache.
Mit uns Jüngeren war er nicht
ganz so streng bei den Verhören.
Gefürchtet waren diese Verhöre schon.
Wenn alles klar war, konnte
man damit rechnen, nach Abschluss
der Verhöre, seine Entlassungspapiere zu
bekommen. Ein Jahr nach Kriegsende
und am Tag der Kapitulation war
ich noch in Dachau in Gefangenschaft.
An den Tag kann ich mich
noch ziemlich genau erinnern, denn
irgendwie mussten alle im Lager bleiben. Draussen auf
der anderen Seite des grossen
Doppelzaunes waren ein ganzer Teil
Menschen zu sehen. Darunter sollten
viele ehemalige Häflinge des Lager
Dachau gewesen sein, die nun die
Stätte der Pein als freie Menschen
besuchten. Was denen wohl in den
Köpfen vorgegangen war, kann wohl
nur einer nachvollziehen, der es selbst erlebt
hat. Naja, wenn man überliefern und
nachvollziehen könnte, hätten wir
wohl für immer eine heile Welt. Später
hiess es, es wird ein Transport mit
Leuten aus der britischen Zone
zusammengestellt.
-Endlich Richtung Heimat- Wir konnten alles mitnehmen, was wir
so besassen. Ich besass z.B. mehrere
Jacken, Hosen, eine Pelzjacke, Schuhe
und mehrere neue Feldflaschen mit
Speiseöl. Alles war noch von Plattling.
Die Feldflaschen mit dem Speiseöl
hatte ich von unserem Lagerspiess aus
Plattling und sollte sie seiner
Familie überbringen. Ob das Öl noch
gut war, weiss ich nicht mehr.
Wir waren ca. 1000 Mann, die in
Güterwagen mit nur einem amerikanischen
Begleitoffizier Richtung Munster Lager fuhren.
Es war eigentlich die schönste
Bahnfahrt in meinem Leben. Den Empfang vom
Engländer in Munster Lager werde ich
auch so schnell nicht vergessen. Denn der
stand da, mit einer Menge schwer
bewaffneter Soldaten und mehreren Panzerwagen.
Das war wie ein schlechter Traum.
Ob der Ami wohl geschmunzelt hat ?
Wir gewiss nicht? Wir wurden zuerst
in grosse Nissenhütten geführt. Da
mussten wir dann antreten und
unser Gepäck vor uns auf den
Boden legen. Dann kam ein englischer
Offizier mit einen Stock unter dem
Arm ( üblich beim englischen Militär).
Er hatte einen deutschen Wehrmachtsoffizier
in seiner Begleitung dabei, in einer
grün gefährbten Uniform, auch mit
einem Stock unter dem Arm.
Die beiden schritten unsere Front ab.
Der deutsche Offizier nahm uns
fast alle unsere schönen Klamotten ab,
samt meine Feldflaschen. Das grüne
Personal, ehemalige deutsche Wehrmachtsoldaten, nannte
man abgekürzt GSO ( GermanService Organisation).
Der Engländer hatte diese GSO
Leute als Fahrer, Wachpersonal (unbewaffnet)
und Dolmetscher bei sich beschäftigt. Ob
wir wohl wegen unserer Klamotten Wut
im Bauch hatten ? Auflehnen wäre
uns wohl nicht gut bekommen, und
wir wollten ja auch so schnell wie
möglich nach Hause. Ein ganzer
Teil der Gefangenen hatten schon ihre Angehörigen
benachrichtigen können, das sie im
Munster-Lager sind und entlassen werden
sollten. Viele Familien waren daher angereist
und standen ausserhalb des Zaunes und konnten
sich mit ihren Männern und
Angehörigen auf diese Weise zum Teil
nach jahrelanger Trennung wiedersehen.
Aber dann gab es den grossen Knall.
Der Engländer liess bekannt
machen, das alle gesunden und arbeitsfähigen
Männer nach England zum arbeiten
abtransportiert werden sollen (meistens im Bergwerk).
Diese Nachricht schlug wie eine Bombe
ein. Zur Untersuchung wurden im
Freien Tische aufgestellt, wo pro Tisch
ein deutscher Arzt die Untersuchungen vornahm.
Als die Nachricht noch nicht
bekannt war, waren alle
gesund. Aber nach Bekanntgabe der
"Englandfahrt", humpelte fast
das ganze Lager. Viele haben sich
mehr oder weniger schwer verstümmelt,
um nach Hause kommen zu können. Bei
dieser Untersuchung traf ich zu unser
beider Überraschung meinen Vetter Heinrich
Nielsen (auch von Sylt) wieder. Er
hat mich auf Anhieb nicht gleich wieder
erkannt. Denn es standen ja auch
alle unter grosser Anspannung. Mein Vetter wurde
wegen seiner Fussverletzung entlassen.
Ich wurde, weil ich noch
keine 18 Jahre alt war, entlassen.
Die Freude darüber kann man nicht
beschreiben. Was wirkliche Freude ist,
kann man nur durch solche Erlebnisse erfahren.
Unter Geschrei der Vorarbeiter bin ich
wieder runtergeklettert Wir wurden mit reichlich Verpflegung eingedeckt.
Dann ging die Reise los. Erstmal
ins Durchgangslager Segeberg. Segeberg war
auch Durchgangslager für Flüchtlinge.
Dieses Elend, was wir da zu
sehen bekamen, war unbeschreiblich. Nicht
nur, dass diese Menschen ihr Hab und
Gut in der verlorenen Heimat lassen
mussten, eswaren auch viele die
von den Russen schwer mishandelt
worden waren. Die unglücklichen
Kinderaugen vergisst man auch nicht
so leicht. Wir haben gleich
unsere ganze Butter usw. an diese
armen Menschen verschenkt. Wir dachten
natürlich auch, das wir bald nach
Hause kämen und dann ja alles
hätten. ( Irrtum) Wir machten uns,
nach dem wir unsere Papiere
fertig hatten, auf den Weg Richtung
Niebüll. Heute 1996 von Sylt nach
Paris zukommen, ist gewiss einfacher als
1946 von Segeberg nach Niebüll. Mein
Vetter blieb noch bis zum nächsten
Tag in Niebüll, weil er dort
von einem ehemaligen Kameraden eine
Nachricht überbringen wollte. Ich bin
weiter gefahren. Auf halben Weg vom
Bahnhof nach Hause, traf ich
als erstes bekanntes Gesicht,
unsere Nachbarin L.G. Nach dreizehn
Monaten Gefangenschaft und vier Monaten
Militärzeit war es natürlich ein
überwältigendes Gefühl, unsere Strasse
mit der bekannten Umgebung wieder zu
sehen. Ich konnte es immer noch
nicht fassen, das ich nun
endlich die Tür von Zuhause hören
konnte, an die ich an der
Front oft gedacht habe. Das mögen
kleine Dinge sein, aber sie können
eine grosse Bedeutung haben. Zuhause
gab es natürlich das grosse Wiedersehen.
Meinen 18 Geburtstag konnte ich
zu Hause feiern, obwohl ja alles
knapp war. Nun ging erst mal die ganze
Anmelderei los. Ich war ca. 14
Tage zu Hause, da bin ich
wieder zur Sylter Inselbahn und
habe meine abgebrochene
Lehre als Maschinenschlosser
weitergemacht. Das war auch
ein Erlebnis, die alten,
bekannten Gesichter der Gesellen
wieder zusehen. Es war
auch wiederum eine komische Situation
für mich, denn nun durfte ich
in den Pausen nicht rauchen.
Die Gesellen wurden alle mit "Sie"
angesprochen. Zu Hause musste ich
Abends pünktlich um 22 Uhr sein.
"Aber Lehrjahre sind nun mal
keine Herrenjahre" sagt man. Die
Lehre bei der Inselbahn hat mir trotzdem
Spass gemacht. Leider war die verlorene Zeit
durch Militär und Gefangenschaft nicht mehr
aufzuholen. Die Prüfung bestand
ich trotzdem. Eines Morgens, ich
war schon ungefähr ein Jahr wieder zu
Hause und hatte länger geschlafen.
Meine Mutter machte sauber. Fenster
und Türen standen zum Lüften auf, da
knallte meine Zimmertür vom Durchzug
mit grosser Wucht zu. Ich hatte wohl
auch gerade vom Krieg geträumt.
Ich hatte so einen Schreck
( Schock) bekommen, das ein Arzt
kommen musste. Den Geruch verbrannter Menschen und Pferde
hatte ich immer noch Zeitweise in
der Nase. Aber meine Jugend
hat mir viel bei der Verdrängung
des Erlebten geholfen. Ich möchte
auch kaum mit jemanden über meine
Erlebnisse sprechen. Meine Wut auf
Uniformen war so gross, das mir
sogar die Bahnbeamten mi t ihrer
Uniform ein Dorn im Auge
waren. Politisch war die Zeit auch interessant.
Bei Wahlveranstaltungen aller Coleur
war es immer proppenvoll. Meine Freunde und
ich, besuchten fast alle Veranstaltungen
aller Parteien. Aber mit der
Demokratie umzugehen, mussten wir
erst noch lernen. Unsere Freizeit
bestand meistens darin, tanzen
zu gehen. Alle Lokale hatten
eine Tanzkapelle. Die Kleidung der Männer
bestand meist aus ehemaligen
Uniformen. Marinehosen waren schon
etwas besonderes. Sogar ehemalige Jacken
der Panzerfahrer tauchten auf.
Viele Mädchen trugen Blusen und Röcke aus
karierten Militärbettbezug. Die Not war
eben sehr gross. Aber wir
machten das Beste daraus. Schnaps
haben wir auch schon mal selbst
gebrannt. Dieses war natürlich
strengstens verboten. Zigaretten waren
besonders knapp, daher natürlich
beste Währung. Der Schwarzmarkt blühte.
In der Zeit lernte ich
meine heutige Frau Gisela kennen.
Sie war damals 16 Jahre alt.
In den Lokalen war der
Eintritt erst ab 18 Jahren
erlaubt. Wenn die Kontrolle kam,
hatte ich meistens eine Schulkollegin,
die über 18 Jahre war und
schon kontrolliert war. Sie ging
dann nach draussen und reichte
meiner damaligen Freundin ihren Ausweis
durch das Toilettenfenster rein. Das
ging immer sehr gut. Schlimmer war
es, wenn der Engländer eine Razzia
machte. Der nahm dann kurzerhand
immer alle Mädchen mit auf
LKW, mit denen sie zur
Nordseeklinik gefahren wurden.
Dort wurden sie auf
Geschlechtskrankheiten untersucht. Darüber
waren wir natürlich immer
stinksauer. Der Abend war dann natürlich
im Eimer. Einmal haben wir,
als eine Razzia im alten
Kursaal war, dem Engländer die
Luft aus den Reifen gelassen.
Die haben uns noch mehrere Kilometer
am Strandverfolgt, aber nicht
bekommen. Sonst vertrug man sich
einigermassen mit den Engländern. Die
gingen ja auch mit ihren
Mädchen zum Tanzen ins Lokal,
in denen auch Deutsche waren.
Die meisten Engländer hielten
sich aber hauptsächlich in ihren
eigenen Messen (Pub) auf. Da war
natürlich für Deutsche kein Zutritt.
Deutsche Mädchen in Begleitung
eines Engländers konnten aber mit
rein in den Pub. Das schönste
an dieser Zeit war, das
die Menschen sehr zusammen gehalten hatten.
Wir waren immer eine grössere
Gruppe zusammen, die zum Tanzen nach
Wenningstedt, Keitum oder wohin auch
immer gingen. Die Mädchen waren
meist in grosser Überzahl auf
dem Tanzboden. Das war hauptsächlich durch
die grosse Menge Flüchtlinge auf
der Insel zu erklären. In
Diekjen Deel, wie ich mich erinnere,
bewohnten fünf Familien einen
Raum. Diesen hatten sich die
Bewohner mit Wolldecken unterteilt. Das
Elend war unbeschreiblich, Kasernen, Baracken,
Hotels, Pensionen und Privathäuser waren
vollgestopft mit Flüchtlingen. Dazu gab
es auf der Insel so gut
wie keine Arbeit. Das
Arbeitsamt war gegenüber der Alten
Post im alten Hotel. "DeutscherKaiser".
Da musste man sich jede
Woche einmal melden und bekam einen
Stempel in seine Stempelkarte. Oft
standen mehrere hundert Arbeitslose Schlange
vor dem Arbeitsamt. Im Winter bei
eisiger Kälte, war das keine schöne
Angelegenheit. Ich zog damals zu meinem
Freund Max Jensen in die Bastianstrasse,
in ein kleines, winziges und ungeheiztes
Zimmer. Denn wer zu Hause wohnte,
bekam überhaupt kein Stempelgeld. Das
war meine Jugendzeit. In dieser
Zeit von Not und Elend hat man sich
nicht mit der Überlieferung und über
das Tun und Lassen des Dritten
Reiches beschäftigt. Dafür hatten die
Menschen ganz andere Sorgen und nach
den gemachten Erlebnissen und
Erfahrungen glaubte man sicher, das eine
Wiederholung auch nur in ähnlicher Form
vollkommen ausgeschlossen sei.
Heute weiss man, das eine bessere
Überlieferung an die folgenden Generationen
sehr hilfreich gewesen wäre Dann
würde auch so mancher Politiker heute
besser zu diesem Thema argumentieren
können. Eine Rückblende in
sachlicher Form als Lehre sollte für
uns immer unerlässlich sein. Mittlerweile
wurde die Notstands arbeit eingeführt.
Wer eine gewisse Zeit gestempelt hatte,
musste diese Notstandsarbeit verrichten.
Das war fast nur Arbeit
mit Spaten und Schaufel (Kanalisation
usw.). Ich bekam mal, weil ich Schlosser
war, eine Zuweisung zu einer
Abrissfirma in List, die die Flugzeughallen demontiere.
Da waren schon mehrere tödliche Unfälle
passiert. Ich war auch gerade zehn
Minuten in etwa zwölf Meter Höhe und sollte einen Träger abbrennen.
Als ich rundherum die Sicherheitsmassnahmen
sah, bin ich unter Geschrei der
Vorarbeiter wieder runtergeklettert und
habe meine Papiere verlangt (Heute
würde man solche Firmen vor Gericht
bringen ).
Der Mann vom Arbeitsamt hatte für
mich Verständnis, und so bekam ich
mein Stempelgeld weiter. Das wurde
sonst nicht so gehandhabt. Viele junge Leute
waren damals vom Engländer im
Ruhrgebiet verpflichtet worden.
Dort gab es vor allen
Dingen im Bergbau viel Arbeit.
Im Bergbau zu arbeiten
war mehr als ein harter Job.
Viele, die einen anderen
Beruf erlernt hatten, fanden auch
Arbeit in diesem Beruf. Auf
der Insel war es immer noch
eine grosse Glückssache wenn man mal für ein paar Wochen
Arbeit bekam.
Das Geld reichte
knapp für die Zimmermiete und
Kostgeld für zu Hause. Es war
garnicht daran zu denken, neue
Garderobe zu kaufen. Die Zukunft
für uns junge Menschen sah
nicht gerade rosig aus. Unser Hauptvergnügen
war es meistens, abends zum
Tanzen zu gehen. Vor allen Dingen
im Winter, da waren die Lokale geheizt. Tanzschulen
waren zu der Zeit gross im
Kommen. Meistens wurde ein Heissgetränk getrunken.
Eintritt musste wegen der Gage der
Kapellen gezahlt werden. Die Preise
waren dem Geldmangel aber angepasst.
Von Hamburg nach Düsseldorf mit dem Fahrrad Da ich inzwischen verlobt war und es
auf Sylt keine Möglichkeit gab, auf
den grünen Zweig zu kommen, habe
ich meinen Holzkoffer auf mein altes
Fahrrad geschnallt und bin im Oktober 1950 Richtung
Rheinland aufgebrochen. 50 Mark hatte ich
mir als Reisekasse zusammengespart.
Damit konnte man bei einer sehr
sparsamen Lebensweise gute drei Wochen auskommen.
In Niebüll bin ich auf das
Rad gestiegen und Richtung Husum reradelt.
Es war Rauhreifwetter. In Husum
lernte ich zwei Kraftfahrer kennen, die
mit ihrem kleinen LKW nach
Eckernförde sollten und einen Tag später
nach Hamburg weiter wollten. Bis nach
Hamburg wollten sie mich auch
mitnehmen. Das war natürlich ein
grosser Sprung in meine Richtung.
Erstmal musste ich mir eine
Unterkunft für die kommende Nacht
suchen. Ich weiss nicht mehr auf wie
vielen Stellen ich war. Es gab einfach
keine Möglichkeit unterzukommen. Beim
Roten Kreuz war ich mehrere Male. Zuletzt
bin ich zur Polizei gegangen, um
mein Glück zu versuchen.
Ich musste lange reden, bis sie
sich erweichen liessen. Freie Zellen
hatten sie nicht. Aber wenn ich
wollte, konnte ich im Spritzenhaus
übernachten. ( Spritzenhäuser waren früher so
eine Art Gefängnis). Da war auch noch
ein älterer Mann aus der Ostzone,
der auch eine Übernachtungsmöglichkeit
suchte. So hatte ich wenigstens Gesellschaft.
Wir wurden natürlich eingeschlossen. Im
Gebäude drinnen war alles kahl und
nur Betonfussboden. Dazu war es lausig
kalt . Decken hatten wir auch nicht.
Da haben wir uns dann, als
wir es vor Kälte nicht mehr
ausgehalten hatten, Späne aus den
Balken geschnitten und ein offenes
Feuer gemacht. An Schlafen war nicht
mehr zu denken. Das Feuer
war auch kläglich. Nächsten Morgen
wurden wir wieder von der
Polizei befreit. Wir haben wohl bös
ausgesehen, dazu kohlrabenschwarz im
Gesicht von dem Feuer ! Wir mussten bei
der grossen Not und dem Platzmangel,
die in ganz Schleswig-Holstein durch den
immer noch anhaltenden Flüchtlingestroms
herrschte, dankbar sein. Wir waren beide
allerdings fix und fertig. An
das Auto Richtung Hamburg war
in meinem Zustand nicht zu
denken. So haben wir uns beide
wieder an das Rote Kreuz
gewandt und um Hilfe
gebeten. Mein Kumpel, der
von Beruf Melker war, konnte
an einen Bauernhof vermittelt werden.
Das war zu der Zeit schon ein
riesiges Glück. Mit mir hatte die
Angestellte vom Roten Kreuz so viel
Mitleid, das sie mich zu sich mit
nach Hause nahm. Da konnte
ich mich erst mal waschen, bekam
zu essen und ein Bett. Es
war eine grosse , nette Familie.
Von der Frau war das eine
aussergewöhnlich grosse, menschliche Geste.
Denn zu jener Zeit, hatte
jeder sein eigenes schweres Schicksal
zu tragen. Dazu waren die
Menschen vom Roten Kreuz jeden Tag
total überfordert. Dank dieser Familie
bekam ich am nächsten Tag einen
Platz auf einem KW Richtung Hamburg.
Von Hamburg bin ich fast die
ganze Strecke bis Düsseldorf mit
dem Rad gefahren. Details dieser
Tour sind mir entfallen. Bis Düsseldorf
habe ich volle 14 Tage
gebraucht. In Düsseldorf habe
ich mein Fahrrad erstmal in der
Gepäckaufbewahrung aufgegeben. Übernachtet
habe ich mehrmals in einem
Obdachlosenheim ( in einem ehemaligen
Luftschutzbunker). Am Tag bin ich
dann los auf Zimmersuche. Das
war aber ein hoffnungsloses Unterfangen.
Arbeit gab es genug, aber nur
wenn man eine feste Bleibe nachweisen
konnte. Das war ein Teufelskreis.
In Düsseldorf wollte ich mich eigentlich
mit einem anderen Westerländer
treffen, der mit dem
Zug kommen wollte. Irgendwann nach
Tagen haben wir uns tatsächlich in
einem Obdachlosenheim wieder getroffen. Wir
hatten bald von Düsseldorf die Nase
voll. Wir sind dann in Richtung Duisburg
- Hamborn - Meiderich weitergegangen. Da war
aber das Gleiche wie in Düsseldorf.
Keine Arbeit ohne Bleibe und umgekehrt.
Nach langem Suchen fanden wir endlich Arbeit
in einer Baufirma "Sager und
Woerner" in Meiderich. Diese
Firma hatte Wohnungbaracken auf dem
Gelände aufgestellt, auf dem auch
gebaut werden sollte. Das ganze Gelände
war ein Schlammloch. In
unseren Wohnräumen lag nachher, vom
Reintreten, über 5 cm Schlamm.
Wir wohnten zum Teil mit acht
Personen in einem Raum. Von der Firma
wurden vor allen Dingen Maurer
gesucht. Aber da waren nicht
viele unter uns, die diesen Beruf
oder ähnliches gelernt hatten.
Da wurden dann einfach Leute von
uns ausgewählt und ein paar Tage
angelernt und dann als Maurer
eingesetzt. Ich wurde als Maurer
eingestzt, weil mein Vater Maurer
war. Die Poliere waren da natürlich
voll gefordert. Denn die Bauten
mussten bald bezugsfertig sein.
Ich schätze, das wir rund 200
Arbeiter gewesen waren. Das
Arbeitsklima war aber auch wunderbar.
Verdient wurde auch gut. Jeder
konnte so viel Überstunden machen,
wie er wollte und konnte. Unsere
Tage bestanden nur aus Arbeiten und
Schlafen. Ich war bei dieser Firma
vom 7.11.1950 bis zum 6.12.1950.
Bei dieser Firma hatte ich
mich mit einem Arbeitskollegen aus
Duisburg-Hambornan gefreundet. Bei ihm konnte
ich erstmal wohnen und mir so eine Arbeitsstelle
als Schlosser suchen. Bevor
ich das tat, habe ich mich aber
erstmals nach Kriegsbeginn neu
eingekleidet, ein neues Fahrrad gekauft
und eine Rückfahrkarte nach Westerland
gelöst. Da war mein Geld auch bald
alle. Aber ich hatte mir, wenn
ich zurück nach Hamborn komme, eine
Unterkunft und eine Arbeit gesichert. Das
war eigentlich alles in allem für
fünf Wochen in der Fremde
eine gute Bilanz. Ich fuhr erst
einmal nach Hause zum Weihnachtsfest.
Auf das Wiedersehen mit meiner Verlobten
Gisela freute ich mich natürlich
besonders. Sie hatte zu der Zeit
ein kleines Zimmer bei meinen Eltern. Zuhause
zahlte ich dann mit meinem Fahrrad
als Kostgeld. Anfang Januar
fuhr ich dann wieder runter nach
Duisburg-Hamborn. Bei der Firma Josef
Brand habe ich dann bis 1953 als
Schlosser gearbeitet. Wir stellten alles her,
was so im Bergbau gebraucht
wurde. Einmal bin ich für
unsere Firma in so ein Bergwerk
eingefahren ( niewieder!). Was
Bergleute da unten leisten mussten,
war schon ungeheuerlich! Die
hatten auch immer Durst, wenn sie
ans Tageslicht kamen. Drei Kneipen
vor einem Zechentor waren keine
Seltenheit! Überhaupt war rundherum Grossindustrie.
Wenn die Hochöfen angestochen
wurden oder von den Kokereien sah
es Abends immer so aus, als wenn
der ganze Himmel brannte. Wenn
man eine Stunde mit einem hellen
Hemd auf der Strasse ging, war
der Kragen schwarz. Die Häuser waren
auch schon mehr schwarz als rot.
Die Gegend war nichts für mich. Ich
wollte nicht für immer hierbleiben.
Solange es Menschen gibt, wird es auch
Kriege geben Ich verdiente aber gutes Geld, rund
50 Mark in der Woche. Inzwischen
konnte ich mir auch ein Zimmer
besorgen, das ich mit einem Bergmann
teilte. Wir wuschen uns in einem
Waschbecken in der Küche. Die
Wirtin, eine ältere Witwe,
verschwand dann immer so lange. Das
Zimmer kostete inkl. Wäschewaschen und
Kost, 28 Mark die Woche. Eines Tages
stand meine Verlobte plötzlich ohne vorherige
Anmeldung vor der Tür. Das gab
natürlich Probleme mit der Unterbringung. Wir hatten
aber riesiges Glück, denn sie
bekam eine Stellung im Haushalt bei
einem Kokerei - Direktor. Dort bekam sie
ein Zimmer mit Zentralheizung.
Dieses Glück zur damaligen Zeit war
schon aussergewöhnlich. Zentralheizung
war sowieso eine Rarität. Ich
durfte sie auch zu jeder Zeit,
ausser Nachts, besuchen. Direktor Meurer
war eine echte Persönlichkeit. Ich
schreibe auch darüber, um zu versuchen,
ein bisschen aus jener Zeit zu
übermitteln. 1952 haben wir geheiratet.
Eine kirchliche Trauung war nicht möglich,
da ich ja nicht konfirmiert war.
Es fehlten mir ja, wie
bereits erwähnt, drei Monate von
zwei Jahren an Konfirmationsunterricht. Meine
Frau und ich haben dann noch
ein Jahr in Duisburg-Hamborn gearbeitet.
1953 zogen wir wieder nach
Westerland.
Wir bekamen auch bald eine Wohnung über
den Flüchtlingeausweis meiner Schwiegermutter.
Die Schwiegermutter wohnte oben und
wir unten. Die Wohnung hatte eine Wohnfläche
von ca. 42 qm. Eine Wohnung
in einem Neubau war 1953 schon ein
grosses Glück. Bald meldete sich bei
uns der erste Nachwuchs an. Der sollte nun
getauft werden. War aber nicht möglich,
da wir nicht kirchlich geheiratet hatten
und nicht konfirmiert waren. Nach
Rücksprache mit Pastor Wilken, gab
es die Möglichkeit, die Trauung
und die Konfirmation nachzuholen.
Aber dann müssten wir nochmals
drei Monate Konfirmandenunterricht mitmachen.
Das taten wir dann auch,
denn ohne kirchlichen Segen
wollten wir nicht gerne leben.
Dasselbe Schicksal hatte meine Schwester
und ihr Mann auch. So
gingen wir zu viert, einmal in
der Woche abends zum Unterricht. An
irgend einem Sonntag im Juni
1954 wurden wir kirchlich getraut
und konfirmiert. Nun stand der
Taufe von unserem Sohn Udo nichts
mehr im Wege. Dabei war für
mich der Glaube absolut unerlässlich.
Trotzdem hatte ich so meine
Schwierigkeiten mit dem "Bodenpersonal".
Heute würde man wohl toleranter
verfahren. Aber auch dieser
Vorgang erschien mir erwähnenswert.
Arbeit war auf der Insel immer
noch knapp. Meine Schwiegermutter zog
bald aus in eine eigene
Wohnung. Ich bekam Arbeit bei dem
Engländer auf dem Flugplatz. Unsere
Miete, 50 DM im Monat,
haben wir oft in drei Raten
zahlen müssen. Ein Dreirad für
den Jungen wurde ebenfalls in drei
Monatsraten zu zehn Mark
bezahlt. Die Tochter unseres Nachbarn
sollte zu Weihnachten auch ein
Dreirad bekommen. Der Händler verlangte
von mir, weil er ihn nicht
kannte, das ich für unseren Nachbarn
bürge. Das waren schon harte
Zeiten für die Menschen! Unsere
Winterfeuerung z.B. war immer knapp
bemessen und schwer zu bezahlen.
Möglichst nicht so früh am
Morgen mit Feuermachen anfangen, war
unsere Spardevise, eine von vielen
anderen ! Aber es ging
allen anderen Menschen auch nicht
besser. Im Gegenteil, die Menschen
(hauptsächlich Flüchtlinge), die sich mit
ihrer ganzen Familie ein Zimmer
teilen mussten. Viele dieser Unterkünfte
hatten nicht mal einen Schornstein
anschluss. Da hat man einfach
das Ofenrohr durch das Fenster
rausgeleitet.. Es gab eben keine
andere Alternative. Denn frieren ist
noch schlimmer als hungern. Im Herbst
halfen wir den Bauern bei der
Kartoffelernte. Bezahlt wurde mit
Kartoffeln. So kamen wir einigermassen
über die Runden.
Ich wollte schon
vorher die Musik mal erwähnt
haben. Im Krieg war das
Tanzen ja verboten gewesen.
Nach dem Kriegsende war da
natürlich ein grosser Nachholbedarf.
Es wurde hauptsächlich Tango,
langsamer Walzer, Slowfox,
Walzer und Swing getanzt. Zum
Teil machte sich mehr oder
weniger in den fünfziger Jahren
der Einfluss der amerikanischen
Musik bei uns bemerkbar.
Diese beschwingte Art machte sich in
der Tanzmusik bis hin zur Weihnachtsmusik
bemerkbar. Diese Entwicklung wurde
zu der Zeit lange nicht von
allen mit Freude aufgenommen, denn
die Generation und auch die Älteren
waren da noch sehr
konservativ eingestellt. Es brauchte damals
eine ganze Zeit, bis man sich damit
anfreundete. Man sagte zu der Zeit:
"Es wird wohl allesverjazzt!" Dann
kam der Rock`n Roll. Damit gab
es natürlich auch mal Schwierigkeiten auf
dem Tanzboden, weil dafür viel
Platz nötig war. Ich konnte mich
auch nicht so recht an diesen
wilden Tanz gewöhnen. Dabei war
die Rock`n Roll Musik eigentlich
das, was die Jugend zu der
Zeit gebrauchen konnte ! Persönlich
meine ich, das es bis zum
heutigen Tage nichts Vergleichbares gibt.
Als man sich mit der Musik
angefreundet hatte und Elvis Presley
seines dazu gegeben hatte, war das
schon eine kleine (oder grössere)
Revolution zu der Zeit. Mittlerweile wurde
es auf Sylt etwas besser mit
der Arbeitsplatz situation. Das
Ende der fünfziger Jahre nahte. Viele
Flüchtlinge haben sich ins
Rheinland umsiedeln lassen. Viele Insulaner
fingen auf der Insel an, ihre
Häuser zu bauen. Ein Quadratmeter Bauland
war noch für 50 Pfennig zu haben.
Ich komme nochmals auf das Jahr 1956
zurück. Da arbeitete ich bei der
Heizungsfirma Rudolf Otto Meyer in
den Lister Kasernen als Monteur.
Zu der Zeit wurde ja die
Bundeswehr auf die Beine gestellt.
Für mich brach fast eine Welt
zusammen, als das bekannt wurde.
Denn ich und viele meiner
Mitmenschen zu dieser Zeit,
glaubten sicher, das Deutschland mehr
aus der Geschichte und Vergangenheit
gelernt hätte. Zu der Zeit (1956)
musste man wohl antworten:
"Denkste!!" Wir sprachen natürlich
die zukünftigen Soldaten auf ihre
Motive an. Es waren meistens
Soldaten, die im letzten Krieg schon
gedient hatten und jetzt wieder freiwillig
zur Bundeswehr gingen. Die Antwort
auf unsere Fragen war fast immer
gleich. Sie sagten: "Wir haben
ja nichts anderes gelernt oder sollten
wir als Schuhputzer arbeiten ??"
Eine für mich nicht
nachvollziehbare Entwicklung. Heute, 1996,
sieht man da doch einiges anders.
Wenn man die Gegenwart, aber
auch die Geschichte unserer Welt
betrachtet, dann kommt man wohl
oder übel zu folgender Erkenntnis:
"Solange es Menschen gibt, wird
es auch Kriege geben! "Darum
soll man immer auf der Hut
sein und die Entwicklung verfolgen
und dann soll es uns nie
gleichgültig sein, welcher Geist
in unserer Bundeswehr und in
den Menschen dieses Landes
steckt.