http://www.jungewelt.de/2005/01-12/004.php

 

Feldmarschall »Heldenklau«

Hitler reagierte schon auf die ersten Meldungen von den Rückzügen und Fluchten wie er es seit den ersten Mißerfolgen und Rückschlägen an der deutsch-sowjetischen Front im Jahre 1941 getan hatte, als er den Oberbefehlshaber des Heeres ablöste, sich selbst auf diesen Posten setzte und auch Oberbefehlshaber von Heeresgruppen, die den »Blitzsieg« nicht hatten erringen können, in die Reserve versetzte. Nun stellte er Ferdinand Schörner, der bis dahin die von sowjetischen Truppen eingeschlossenen deutschen Truppen in Kurland befehligt hatte, an die Spitze der Heeresgruppe Mitte, deren Armeen und Korps sich weitgehend in Auflösung befanden. Damit war ein Militär vom Typ »Heldenklau« an die nun kritischste Stelle der Ostfront beordert. (»Heldenklau« nannte der Wehrmachtsjargon einen Offizier, der versprengte Soldaten zu neuen Kriegseinsätzen zwang.) Mit dessen Oberbefehl ist die Geschichte der zeitweiligen Stabilisierung der Front und damit der Verlängerung des Krieges verbunden, mehr noch, der Erinnerung an einen der brutalsten Generalfeldmarschälle (dazu ernannte ihn Hitler am 5. April 1945) des Zweiten Weltkrieges, der nicht nur die Soldaten bedenken- und gnadenlos in aussichtslose Schlachten und Gefechte hetzte, sondern sie vor die Wahl des möglichen Todes im Kampf, des sicheren Sterbens durch Kugeln eines Erschießungskommandos oder aber hängend am Strick eines Galgens oder eines Straßenbaums stellte. Marschall Schörner aktivierte das blutige Regiment der Feldgerichte.

Der Mann, der den Tod Tausender Soldaten auf dem Gewissen hatte, wurde wegen seines Regimes als Wehrmachtsbefehlshaber im Jahr 1957 in der Bundesrepublik, und das wollte etwas heißen, zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er zwei Jahre absaß. Schörner fiel, auch weil er bei Kriegsende sich in Zivil hatte davonstehlen wollen, während seine Soldaten in Gefangenschaft transportiert wurden, aus aller Traditionspflege der Bundeswehr heraus. Als der Militarist mehr als 80jährig starb, informierte das Bundesverteidigungsministerium vorsorglich darüber, daß die Teilnahme von Angehörigen der Bundeswehr an seiner Beisetzung auch in Zivil unerwünscht sei. Aber auch dieser Feldherr hatte nur bremsen, nicht aufhalten können, was sich zwischen Weichsel und Oder vollzog.