Keine Alternative zum Frieden
Ich wurde am 19. Juni
Vater
und Mutter hatten meistens Arbeit, und so ging es uns auch wirtschaftlich
entsprechend gut. Politisch war keiner von den beiden besonders interessiert.
Später zogen wir in die Bismarkstrasse, von da aus in ein mit Eigenleistung
gebautes Doppelthaus in die Deckerstrasse. Als ich ca.
neun Jahre alt war, kam ich in die DJ (Deutsches Jungfolk). Zuerst
war dieses mehr freiwillig und brachte sogar Spass. Wir
hatten uns im Süden von Westerland in einem ehemaligen Bunker aus dem ersten Weltkrieg
eine Art Heim eingerichtet.
Das
ganze war mehr so richtig nach Pfadfinderart gehandhabt. Etwas später, ca. 1938 - 39
kam dann immer mehr Zwang hinein. Ich erschien immer
in Zivil zum Dienst. Denn ich bekam und bekam von
Zuhause einfach kein Braunhemd mit Schlips und Knoten gekauft (Geld war auch
knapp). Aber man konnte zum Aussenseiter werden,
wenn man da nicht mitmachte. Das wollte ich zu der Zeit auch nicht. Denn zu
alternativen Denken wurden wir nicht erzogen. So bekam ich dann eines Tages von meiner
Grossmutter das gewünschte Hemd (Fünf Reichsmark zu der Zeit). Mittlerweile hatte uns die DJ so im Griff mit
Mittwochs und Sonntagsdienst. Laufend Sport usw. Und immer im militärischen Stil. Auch die Schleiferei gefiel
mir in dem Stil nicht.
Aber
andererseits waren wir in diese Entwicklung reingewachsen und fanden uns damit
ab. Ich fehlte schon mal beim Sonntagsdienst. Auch schon mal dreimal
hintereinander. Das hiess zu der Zeit eigentlich: Wochenend -
Jugendarrest Flensburg. Zuerst musste ich, wenn ich dreimal
hintereinander gefehlt hatte, zur Kripo. Da wurde ich dann
zusammengestaucht. Der Kripo-
Beamte (Konrad) hatte es aber irgendwie
immer unter den Tisch fallen lassen und deshalb brauchte ich nie zum
Jugendarrest. Da gab es wohl nichts zu lachen. Ich machte dann auch
einigermassen weiter mit. Die Eltern hatten zu der Zeit auch überhaupt keinen
Einfluss auf diese Dinge. So kam dann, wie wohl für viele voraussehbar, der 1.September 1939 mit dem Kriegsanfang. Wir waren, kann ich
Am Strand hat sich die
Nachricht vom Kriegsanfang wie ein Lauffeuer verbreitet. Es war auch schon viel
Militär zu dem Zeitpunkt auf der Insel. Trotzdem lief der Kurbetrieb normal
ungestört mit Kurkonzert usw. weiter. Ab und zu hatten wir Besuch von meinem
Onkel (Bruder meines Vaters). Der war zu der Zeit Offizier im Heer. Von Hitler
hielt er aber nicht viel. Sein
Eid als Soldat war ihm heilig. Das
wusste ich zu der Zeit auch noch nicht. Hätte ich wahrscheinlich vom
Alter her auch nicht begriffen. Wenn es darüber Gespräche der Erwachsenen gab,
passten sie sowieso auf, dass wir Kinder nichts
mitbekamen.
Es gab auch einiges Kurioses zu erzählen. Zum Beispiel, gab es im Soldatenheim einen
Feiertag, wo SA, HJ und alles, was es sonst noch gab,
aufmarschiert war. Dann hiess es:
"Präsentiert die Flaggen!"
Da war H.W. wohl zu übereifrig und stiess
den Flaggenmast mit der Spitze so fest in den Holzbalken, unter dem er mit
seiner Gruppe stand, dass er diesen nur mit Mühe wieder herausbekam. Das sah so
lustig aus, dass ich grinsen musste. Dabei wurde ich erwischt und musste nach
der Feier strafexerzieren (bin geschliffen worden).
An etwas ähnliches
kann ich
Unser Vater wurde gleich am Anfang des
Krieges eingezogen. Es hat sehr
viel Tränen beim Abschied gegeben. Wir sind drei
Geschwister. Wenn mein Vater auf Urlaub war, sagte er immer zu mir:
"Wenn du dich freiwillig zum Militär meldest, fliegst du Zuhause
raus!"
Solche Bemerkungen haben damals schon
gereicht, um ins KZ (Konzentrationslager) zu kommen. Die Soldaten, die fern der Heimat waren, wussten auch
nicht, was so in der Heimat politisch vor sich ging. Ich hatte schon als 15jähriger meinen Wehrpass als Kriegsfreiwilliger. Wir
wurden so darauf gedrillt, uns freiwillig zu melden, dass uns gar nichts
anderes übrig blieb.
Was es hiess
Frontsoldat zu sein, mit all seinen grausamen Erlebnissen, sollte ich später
auch noch erfahren.
Zwei,
eigentlich drei Begegnungen, mit Hermann Göring hatte ich auch. Ich mag etwa zwölf Jahre alt
gewesen sein. Wir waren mit mehreren Kindern in der
Nähe vom Hotel "
Alles schrie:
"Sieg heil !" Ich selber
war nie für lauten Jubel. Das hatte zu der Zeit nichts mehr damit zu
tun, dass ich vielleicht ein Gegner, oder Ähnliches,
dieser Leute war. Ich war, wie alle anderen in meinem Alter
auch, in diese Entwicklung reingewachsen und fand diese Welt, wie sie war,
absolut in Ordnung.
Meine
zweite Begegnung mit Hermann Göring war in Berechtesgaden.
Wieder zuhause ging es mit der Schule,
HJ-Dienst usw. wie gehabt weiter. Meine Mutter hatte einmal ein besonderes
aufregendes und gefährliches Erlebnis in der oberen Friedrichstrasse. Ein groes Flugzeug, eine HE 111 oder ähnliches, hatte versucht am
Was noch erwähnenswert ist: Die in den
ersten Kriegsjahren angeschwemmten englischen Seeleute und Piloten wurden mit
Ehrensalven beigesetzt. Dieses war für uns Kinder natürlich interessant, da wir
unter anderem die leeren Patronenhülsen sammeln
konnten. Der Ehrensalut wurde von Luftwaffensoldaten gefeuert. Später, als man
anfing die Städte zu bombardieren, hörte diese Art von
Beisetzungen auch auf.
Noch ein erwähnenswertes Erlebnis hatte ich
in der Nähe der Hauptwache zum Fliegerhorst. Diese war unmittelbar am heutigen,
nördlichen Friedhofseingang. Wir hatten da in der Nähe auch unser Elternhaus.
Mein Vater hatte gerade seinen Fronturlaub. Er lag zu der Zeit mit seiner Einheit
vor Leningrad. Wir spielten in der Nähe der Flugplatzwache. Da kam ein
HJ-Führer mit ein paar Mädchen des Weges. Weil ich ihn nicht grüsste, rief er
Die Vorgehensweise
lässt sich nicht überliefern. Ich ging nach Hause und
erzählte diesen Vorfall meinem Vater. Zufällig kam auch
noch dieser HJ-Führer mit den Mädchen an unserem Haus vorbei. Mein Vater bekam
so einen Wutanfall und stürzte auf diesen, nicht Gegrüssten zu, dass ich
dachte, den prügelt er wohl durch. Aber zum Glück, für meinen Vater, tat er dies nicht, sondern schimpfte
ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, so richtig aus. Er wäre ein
"Rotzbengel" usw.
Hätte
dieser HJ-Führer meinen Vater angezeigt, hätte es für ihn bös aussehen können,
obwohl er Frontsoldat war.
Aber gerade weil er an der Front so viel gesehen hatte
und nun dieses Zuhause erleben musste, war er wohl so erbost. Mein Vater hatte allerdings ein gestörtes Verhältnis zu
Uniformträgern und zum Militär überhaupt. Deshalb
wurde er wohl auch nur Gefreiter. Sein Bruder dagegen war
Oberstleutnant, wurde später Oberst. Die beiden trafen sich durch grossen
Zufall vor
Der Vater der beiden Brüder (mein
Grossvater) wohnte in einem kleinen Dorf bei Flensburg. Er war ebenfalls ein grosser Hitlergegner. Dies ist mir zu der Zeit alles nicht besonders aufgefallen. Denn
man musste doch sehr vorsichtig sein. Mein Grossvater liess aber doch hier und
da mal eine entsprechende Bemerkung los. Das begriff ich auch erst später.
Denn für
Ein ins sehr nahestehendes älteres Ehepaar auf dem Festland, (er
war Frührentner) bekam vom Winterhilfswerk einige Kleidungsstücke geliefert. Da
war eine Jacke dabei, mit einem ganz deutlichen Einschussloch drin. Natürlich weigerte er sich diese
Jacke anzunehmen, (wohl auch mit unpassender Bemerkung). Darauf hatte er
dann auch Gestapobesuch! Aber er hatte Glück. Es passierte nichts weiter. Inzwischen wurden die
Bombenangriffe auf unsere Grossstädte intensiver. Wir auf
Sylt wurden aber verschont. Ausser mal ein Notabwurf.
Einmal hatten wir, wie ich
An die Postboten
der damaligen Zeit möchte ich erinnern. Diese hatten nämlich nicht immer
leichte Aufgaben zu erfüllen. Wenn
Briefe (Feldpostbriefe) vom Mann oder Sohn zu
überbringen waren, war das gewiss eine freudige Angelegenheit. Die Postboten
waren meistens weiblich und zu diesem Dienst vom Staat verpflichtet worden.
Wenn aber die Gefallenenmeldungen gebracht werden
musste, dann war das gewiss ein besonders schwerer Gang. Ich weiss, da eine
Nachbarin von uns, die als Postbotin verpflichtet war, meiner Mutter mal
erzählte, dass sie es einfach nicht über das Herz brachte, so eine Gefallenenmeldung
bei Frau X abzugeben. Am nächsten Tag musste sie dann doch den
schweren Gang machen.
Viele Frauen mussten im Krieg auch reine
Männerarbeit machen. Die Männer waren ja meistens zum Militär eingezogen
worden.
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Auf der Insel Sylt waren im Zweiten
Weltkrieg enorm viele Soldaten und auch Fremdarbeiter für den Bunkerbau und
andere Befestigungsarbeiten verpflichtet worden. Unmittelbar neben dem Bahnhof
(südlich) auf einer grossen Fläche waren Eisenbieger für den Bunkerbau stationiert.
Hier arbeiteten hauptsächlich Gefangene der italienischen Badoglio-Armee. Diese
Strafgefangenen wurden im wahrsten Sinne des Wortes wie Vieh behandelt! Ich
habe selbst gesehen, wie man diese Leute mit geflochtenen Draht verprügelte.
Wir wurden aber meistens von den Bewachern weggejagt.
Im Osten von Westerland, Ende Stadumstrasse,
war das sogenannte Arbeitslager. Dort
waren auch Italiener, die sich aber so halbwegs freiwillig in
Den russischen Kriegsgefangenen auf der
Insel ging es wohl am schlechtesten. Das Barackenlager dieser Menschen stand
etwa da, wo heute die Telekom mit dem Funkturm ihren
Standort hat. Es
mag auch 100m südlicher gewesen sein. Was die Russen so alles machen mussten, weiss ich
nicht mehr so ganz genau. Aber an einige Gefangene kann ich mich noch
gut erinnern, denn sie arbeiteten bei unserem Kohlenhändler A. Nielsen, der
später nach dem Krieg Bürgermeister der Stadt Westerland wurde. Ich hatte
gesehen, wie zwei Russen bei Schnee und eisiger Kälte nur Lappen anstatt Schuhe
an den Füßen hatten. Die brachten mal Kohlen zu uns. Meine Mutter bat sie,
diese im Schuppen auszuschütten.
Da lag ein Haufen Brot für die Hühner, dass wir immer bei den Soldaten holten. Es war steinhart und total verschimmelt. Aber diese beiden fielen wie Tiere darüber her, so ausgehungert
waren sie. Den Russen etwas zu Essen zu geben war ja
streng verboten. Ich weiss aber, dass meine Mutter und eine Nachbarin immer
frisches Brot für die Russen unter dem Ascheimer
versteckten. Später, nach Kriegsende und der Befreiung der Kriegsgefangenen,
trafen die Russen mal meine Mutter am Kino. Sie sind
gleich auf sie zugegangen und sagten: "Gute Frau". Wie schon erwähnt,
wenn jemand erwischt wurde, der den Russen etwas gab, dem war mindestens
Gefängnis sicher.
Andreas Nielsen, der Kohlenhändler, hat
damals sehr viel riskiert, als er den Russen so viel geholfen hatte.
Wir Jungs kannten damals einen Niederländer,
einen Belgier und einen Marokkaner etwas näher. Es waren Zivilarbeiter, die sich auch ein bisschen
freier bewegen konnten. Leider weiss ich die Namen
nicht mehr. Den Marokkaner nannten wir "Olala".
Denn immer wenn er irgendwie erstaunt oder erschrocken war sagte er,
"Olala". Von nun an hatte er so seinen Namen weg.
Diese drei, vielleicht auch mehr, wurden
eines Tages von der Gestapo abgeholt. Einige von uns, ich auch, mußten daraufhin zur
Gestapo in der Bahnhofsstrasse. Leider weiss ich heute nicht mehr warum. Man
sprach von Sabotage, glaubte ich aber nicht. Die drei wurden dann im Rathaus
für kurze Zeit in eine Zelle gesperrt. Die Zellen wurden von einer hohen Mauer
zum
Über
diese hohe, halbrunde Mauer haben wir den Gefangenen, weiss ich noch, mit
Wäschestützen Zigaretten und Brot gereicht. Dazu mussten wir übereinander stehen. Später
wurden die Gefangenen an einen anderen Ort verlegt. Wir haben niemals wieder
von ihnen gehört! Wehe, man hätte uns dabei erwischt. Von wegen, "nicht
strafmündig". Das gab es in diesem Sinne nicht. Erziehungsanstalten waren
mehr als harte Schulen. Es ging aber alles gut für uns.
Allerdings war zu der Zeit alles gefährlich,
wenn man etwas "Verbotenes" tat. Denn man konnte nicht mal seinen
Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunden, Verwandten, wem auch immer, trauen. Dieses
Problem hatten aber mehr die Erwachsenen.
Die Heranwachsenden waren ja in dieses
System hineingewachsen und kannten es eben nicht anders. Das wir diesen drei
Menschen, soweit es uns möglich war, geholfen hatten, war wohl unserem Instinkt
zuzuschreiben. Denn wir
waren auch noch sehr jung und hatten mit denen nur ein
bisschen angefreundet. Dieser Vorgang war auch einmalig. Wir
haben ähnliches auch nie mehr riskiert. Es gingen auch enorm viel
uniformierte Streifen durch die Strassen.
Es
waren auch H-J Streifen dabei. In den Dünen habe ich oft Streifen vom Zoll gesehen. Es
war praktisch alles unter voller Kontrolle. Wir hatten z.B. den kasernierten
Luftschutzdienst. Die meisten waren unter 18 Jahre alt. Da war z.B. ein
Kaufmann aus der Strandstrae. Ich glaube, der war Zugführer oder ähnliches.
Wenn man den Mann irgend etwas über die
Luftschutzeinheit (SHD) fragte, war seine Antwort stets: "Geheim ! Geheim !"
Nun gab es beim Luftschutz wohl kaum
Geheimsachen. Ansonsten ging es aber streng militärisch beim SHD zu.
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Ich
kam
Im August 1944, nach dem Attentat auf
Hitler, ging eine Verhaftungswelle durch Deutschland. Ich arbeitete gerade bei
unserem Altgesellen Carl Jessen. Im Zivilberuf Hotelier und Stadtvertreter war
er im Kriege zur Sylter Inselbahn als Schlosser dienst-verpflichtet worden.
Carl Jessen war für seine Arbeitskollegen und auch Meister nicht immer ein
leichter Brocken. Er nahm auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um Politik
ging. Er war ein alter Sozialdemokrat. Als Handwerker im Betrieb waar er
überdurchschnittlich tüchtig und wurde auch so respektiert. Für einen Lehrling
war es schon fast wie eine Auszeichnung, bei ihm arbeiten zu dürfen.
Eines Tages, im August 1944, kamen zwei
Hilfspolizisten an unser Werkstatttor und traten auf Carl Jessen zu. Es waren
zwei hiesige Leute, die als Hilfspolizisten eingezogen worden waren. Der eine,
Kaufmann Kr., sagte zu Carl Jessen auf Plattdeutsch: "Ich soll dich
abholen". Carl Jessen wie es so seine Art war, sagte nur kurz:
"Jo". Dann sagte der Hilfspolizist Kr. auf platt: "Ich darf das
ja nicht, aber willst du noch mal nach Hause und eine Jacke überziehen?"
Carl Jessen sagte kurz: "Nein". Und ging dann in voller
Arbeitskleidung mit den beiden über die Schienen in
Richtung Rathaus.
Ich musste dazu noch sagen, dass ich nur
einen Polizisten gesehen hatte. Der zweite konnte hinter einem Mauervorsprung
gestanden haben. Ich war ganz schön aufgeregt. Von einem jüngeren Gesellen
wurde ich angeschnauzt, er sagte: "Verschwinde hier, das ist nichts für
dich!" Ich
begriff sowieso nichts mehr. Blieb aber in der Nähe. Der
junge Geselle, Ernst Schmidt, war zu der Zeit Kommunist. Er machte auch keinen
Hehl aus seiner politischen Einstellung. Aber er hatte wohl Glück, dass er nie
angeschwärzt wurde.
Dieser Geselle erzählte mir auch später (52
Jahre später), dass die beiden Polizisten mit Carl
Jessen erst zum Zigarettenladen ("Max Zigarre") gegangen sind um
Zigarren für Carl Jessen zu kaufen. Das muss für die beiden Polizisten ein sehr grosses Risiko gewesen sein.
Ich hatte immer geglaubt, dass Ernst Schmidt schon lange
tot sei. Durch Zufall hörte ich, dass er noch lebt. Ich habe ihn auch gleich aufgesucht, um meine Erinnerungen
aufzufrischen. Selber schreiben mag er nicht mehr. Er wird
bald 90 Jahre alt. Er sagte mir auch, dass da noch ein zweiter Polizist mit
dabei war. Ich hatte hauptsächlich den einen, der auch die
Verhaftung durchführte, in meiner Erinnerung.
Es war wohl für beide Hilfspolizisten eine
schwere und peinliche Aufgabe, denn man kannte sich ja schon seit Jahrzehnten
und sprach Plattdeutsch miteinander. Die Schwere seiner Aufgabe war
Hilfspolizisten Kr. auch anzumerken.
Es wurden zu der Zeit, im August 1944
mehrere bekannte Westerländer verhaftet.
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Die damaligen Feinde rückten immer näher auf
das Reich zu. Dann hiess es:
"Die HJ muss zum Panzergräben bauen an die
dänische Grenze!" So wurden wir dann verpflichtet, in
der Nähe von Süderlügum Panzergräben zu bauen. Wir
waren z.B. in einer ausgeräumten Gaststätte untergebracht. Am Tag war hartes Arbeiten mit dem Spaten angesagt. Wenn
Feierabend war, ging es singend in Reih und Glied nach Hause (Unterkunft).
Es wurde auf Stroh geschlafen.
Ein
Mädchenlager (BDM) war auch da. Ich glaube, die machten meistens Küchendienst.
Ich
war vorher auch schon mal in so einem Wehrertüchtigungslager in der Nähe von
St.Michaelisdon.
Die meisten von uns, die da ankamen, waren zu der Zeit schon Kriegsfreiwillige,
man hatte ja auch gar keine andere Wahl! Denn als wir ankamen, hie es beim Antreten z.B.
"Kriegsfreiwillige, rechts raus!" Der Haufen, der sich nicht
freiwillig meldete, war deshalb immer sehr klein. Diese wurden mittags früher zum Exerzieren vom Tisch geholt.
Auch nachts holte
man sie oft aus den Betten. Da war es bald für die meisten vorbei mit
"Verweigern". Auch beim Antreten mussten sie oft nach vorne treten
und wurden als Muttersöhnchen usw. lächerlich
gemacht. Es wurden mal zwei beim Rauchen erwischt. Denen
wurde eine Glatze geschnitten, und jeder musste auf einem Stuhl sitzen. Ich glaube es waren
über 24 Stunden.
Wir, die dann gerade Wache (Streife) schoben, hatten strenge Order, darauf zu
achten, dass die beiden nicht einschliefen. Anschliessend
wurden beide abgeholt.
Diese
Wehrertüchtigungslager waren meist einmal im Jahr. Mindestens einmal musste man an diesen
teilgenommen haben. Durch dieses Lager hatte ich auch Schwierigkeiten mit meinem Pastor
Wester. Denn
ich war zu der Zeit gerade im Konfirmandenunterricht. Dieser
dauerte damals zwei Jahre. Der Pastor sagte zu mir:
"Lager oder Konfirmandenunterricht, sonst wirst du nicht
konfirmiert!" Es fehlten mir noch drei Monate vom Konfirmandenunterricht.
Da ich ins Lager musste, war es mit der Konfirmation vorbei. Der Pastor hatte
viel Mut gehabt, muss ich sagen. So bekam ich dann die
Jugendweihe. Auflehnung gegen den Pastor wäre zwecklos gewesen. Dafür war dieser
viel zu konsequent. Ich glaube, er hatte auch so genug Schwierigkeiten im Dritten
Reich. Später wurde Pastor Wester ein angesehener
Bischof.
Anfang
1944 bekam ich mit mehreren Syltern nach der Wehrtauglichkeitsprüfung in
Am
9. 12. 1944 waren wir
dann auf der Fahrt nach
Die genannten Daten habe ich
freundlicherweise aus dem Tagebuch von Harald Koopmann entnommen. Dieses hat er
von Anfang unserer Einberufung an mit vielen Details geführt. Er hat die
Aufzeichnungen sogar nach mehreren Jahren in tschechischer und russischer
Gefangenschaft mit nach Hause gebracht.
Als wir im Lager ankamen, wurde uns auch
dort kein Empfang bereitet. Wir mussten erst durch Klopfen an die Fenster auf uns aufmerksam machen. Dann ging man endlich
bei und hat uns in verschiedene Stuben untergebracht. Aber die Stuben hatten weder Decken noch Betten, und es war
hundekalt. In meiner Stube war glücklicherweise ein Ofen drin.
Es kam dann einer in Uniform und Unteroffiziers-Litzen auf der Schulter mit
einer Handvoll Holz zu uns rein. Wir machten wie gelernt,
Meldung. Der nahm unsere Meldung aber gar nicht soldatisch entgegen,
sondern machte Feuer im Ofen. Da erfuhren wir dann auch, dass
wir in einem OT-Lager gelandet waren. OT heisst
Organisation Todt.
Das war so eine Art
technisches Hilfswerk. Die OT baute auch Befestigungen usw. Hier
sollte eine Werkstatt für Panzer errichtet werden. Morgens
beim Antreten und Begrüssen sagte man uns, dass man sich freue, dass wir
endlich da wären, denn man hatte schon länger auf die
HJ gewartet, um mit Mauerkelle das Werk aufzubauen. Unsere Gesichter wurden
immer länger, denn hier lag ein ganz klarer Irrtum vor. Nach einigen
Telefonaten klärte sich dann auch alles auf.
Wir wurden dann nach einigen Hin und Her in
einen Zug Richtung Breslau geschickt. Gegen Mitternacht kamen wir 15- und
16jährigen in Breslau an. Von Breslau sollte es dann um 04.00 Uhr morgens
weiter nach Mähren-Weisskirchen gehen. In Breslau bekamen wir strenge Order,
nicht in die verlassenen Häuser zu gehen, erinnere ich
mich. Breslau war wohl schon ziemlich von der Bevölkerung verlassen. Alles war
dunkel und unheimlich. Ich war aber trotzdem mit einigen Kameraden in einer
verlassenen Wohnung. Denn so jung wie wir waren, war man natürlich auch neugierig. Die
Wohnung war so akkurat verlassen worden, als wären die
Bewohner nur zum Einkaufen gegangen. Die Betten waren frisch
bezogen und gemacht usw. Den grossen Küchenwecker auf dem Küchenschrank habe
ich auch noch in Erinnerung.
Am nächsten Tag, es
mag gegen Mittag gewesen sein, kamen wir in
Mährisch-Weisskirchen an. Da holte uns wieder keiner ab. Wir hatten so langsam
alle die Schnauze voll. (Es wäre gewiss ein guter Einfall
gewesen, wenn wir da alle nach Hause gefahren wären). Nach
einer gewissen Wartezeit kam ein Wagen mit einem Zivilisten vorbei. Er teilte uns mit, dass das Lager noch nicht
fertig eingerichtet sei und wir so lange in Ollmütz
untergebracht würden.
Weil
unser Lager noch nicht fertig organisiert usw. war, kam die tolle
Nachricht, dass wir erstmals Weihnachtsurlaub bekamen und nach Hause fahren
konnten. Weihnachten 1944 habe ich nicht mehr in voller
Erinnerung. Am 28. 12. 1944 ging die Reise
schon wieder nach Mährisch-Weisskirchen los.
Nach
unserer Meldung auf der Dienststelle wurden wir im Haus "Puschner"
eingewiesen. Auf unserer Stube waren Harald Koopmann (Sylt), W.Barg, H.H.,
Koberg, Jung, ein Pinneberger und ich. Harald Vogt (Sylt),
der vorher mit uns war, konnte zu Hause bleiben und einer Einberufung zum
Arbeitsdienst (RAD) auf Sylt folgen. Der hatte somit Riesenglück, denn uns
erwartete noch so einiges.
Unser Zugführer war Uffz Stössel. Unser
Stubenältester war Harald Koopmann. Stubenscheuern war unser erster Dienst.
Abends wurden die letzten mitgebrachten Kuchen von zu Hause aufgegessen. Das
war dann auch das Jahresende 1944 für uns.
Weisskirchen ist ein hübscher Ort mit
mehreren Hochschulen. Bad Teplitz mit seinen hübschen Hotels gehörte auch dazu.
Es kehrte endlich eine gewisse Regelmässigkeit in unser Dasein ein. Es begann
ein strammer militärischer Ausbildungsdienst. Aber darin hatten wir ja auch
schon einige Erfahrungen. Viel Geländeausbildung von der Panzerfaust bis zum MG
42 usw. Auch Spähtrupp und Nahkampf war dabei. Wir wurden perfekt gemacht.
Am
18. 01. 1945 wurden wir
nach Luhacowitz ins Lager 7 verlegt. Da war die Ausbildung noch gründlicher. Geländeübungen
im Schnee mit unseren Winterklamotten war kein Vergnügen. Die Front kam
schon bedenklich näher. Es hörte sich von uns aus wie ein
nahendes Gewitter an. An den Strassen wurden von der OT
Panzersperren und Gräben zur Verteidigung gebaut. Es wurden vor allen Dingen
Nachtwachen von uns gestellt. Notfalls wollte man uns mit Waffen ausrüsten. Wir
waren ja immer noch bei der HJ und keine Soldaten. (15 und 16 Jahre alt).
Die Begeisterung war
trotzdem noch sehr gross. Jeder von uns wäre blindlings in den Tod
gerannt. Die Propagandaschule, Ausbildungslager usw. hatten das ihre getan.
(Die Erkenntnisse kamen erst später). Wir gehorchten nur Befehlen. (Auch
Minderbegeisterte). Es blieb uns ja auch gar keine andere Wahl. Wir dachten
eben, das sei alles richtig. Es herrschte sogar der Gedanke, wenn der Russe
kommt, dann jagen wir ihn zurück bis zur Wolga.
Die
jungen Tschechen verhielten sich uns gegenüber absolut distanziert. Wir hätten
natürlich gerne mal mit den hübschen Mädchen geflirtet. Aber die waren uns gegenüber eiskalt. Nicht mal die zehn oder zwölf jährige Tochter unserer Hauswirtin liess sich
ansprechen.
Am
08. 03. 1945 war das
Lager und die Ausbildung zu Ende, und wir sollten wieder nach Hause. Das
Gefühl lässt sich nicht überliefern, da musste man erlebt haben. Bannführer
Moritzen nahm die Meldung des Ausbildungslagerabschlusses mit 1400 HJ-lern
entgegen. Da sagte er dann: "Der Führer hat euch schon heute zu den Waffen
gerufen!" Wir würden geschlossen der Waffen SS übergeben werden. Vorher
sprach er noch davon, dass Deutschland in höchster Gefahr wäre.
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Am
08. 03. 1945 war das
Lager und die Ausbildung zu Ende, und wir sollten wieder nach Hause. Das
Gefühl lässt sich nicht überliefern, da musste man erlebt haben. Bannführer
Moritzen nahm die Meldung des Ausbildungslagerabschlusses mit 1400 HJ-lern
entgegen. Da sagte er dann: "Der Führer hat euch schon heute zu den Waffen
gerufen!" Wir würden geschlossen der Waffen SS übergeben werden. Vorher
sprach er noch davon, dass Deutschland in höchster Gefahr wäre.
Wir wurden dann aufgeteilt. 200 Mann nach
Wien, 50 Mann Panzernahkampfbrigade nach Berlin, der Rest auf den
Truppenübungsplatz Beneschau bei Prag. Nach dieser Nachricht gab es natürlich lange Gesichter und wohl auch so manche heimliche Träne. Da
war natürlich nichts mehr mit nach Hause fahren und dann noch zur SS. Denn
soweit ich
Die SS hatte uns im
wahrsten Sinne des Wortes ohne eigene Zustimmung einfach kassiert. Man lud uns
dann in Waggons in Richtung Kienstlag. Beim Aussteigen in
Kienstlag sahen wir lauter SS Uniformen. Schon auf dem
Bahnhof wurden wir in Kompanien aufgeteilt. Harald
Koopmann und ich blieben in einer Kompanie. Dann ging
es in die Quartiere. Tschechen gab es kaum noch auf dem
Truppenübungsplatz. Es war alles verlassen und grausam öde. Zu allem Überfluss
hatten wir auch noch einen Schneesturm. Wir lagen in dem Dorf Networschitz in
einem kleinen Tal. In der ehemaligen Lederfabrik war eine Grossküche
eingerichtet.
Ein Kino gab es da auch noch. Das war
ständig mit Soldaten überfüllt. Wir kamen mit unserem Zug in die
ehemalige Schule. Da waren Doppelbetten in den Klassen aufgestellt. Harald Koopmann war in einem anderen Zug und
nicht bei uns. Bei mir im Zug waren Leute aus allen
Ecken Deutschlands. Am nächsten Morgen gab es schon Gewehre. Das Eintätowieren
der Blutgruppe unterm Arm liess auch nicht lange auf
sich warten. Ausgebildet wurde noch in HJ Uniformen.
Es war ein unwahrscheinlich harter und erbarmungsloser Schliff dort. Es wurde das Letzte bei der
Ausbildung aus uns herausgeholt.
Am
12. 03. 1945
marschierte das ganze Regiment zur Vereidigung auf. Der Kommandant hielt eine
Ansprache und liess durchblicken, dass wir an der
Front eingesetzt werden sollten. Unser Regiment nannte sich: "Konepacki,
Kampfgruppe Böhmen SS Division Hitlerjugend". Man nahm uns auch die
Wehrpässe ab. Da kam dann auf irgend eine Seite der Stempel der SS mit unserem
Namen und unserer Einheit rein.
Unsere
Ausbildung ging erst noch weiter. An die Panzerbekämpfung kann ich
Am
30. 03. 1945 war eine
Grossübung. Zwei Tage waren wir unterwegs. Wir
haben feste mit Platzpatronen geschossen. Es spielte sich alles in einer
einmalig schönen Gegend ab. Aber für solche Betrachtungen war nicht viel Zeit.
Danach, wieder im Quartier, wurden wir Feldgrau eingekleidet. Abends wurde der
Ort in Alarmbereitschaft gesetzt, keiner durfte den Ort verlassen. Jeden Moment
konnte der Befehl zum Abmarsch kommen. Wir bekamen auch scharfe Munition
ausgehändigt.
Am 05. 04. 1945, 16.00 Uhr kam der Befehl
zum Abmarsch. Vorher gab es noch mal Essen. Dann nahmen wir Waffen aller Art
und die Notverpflegung in Empfang. Unsere Ausbilder
blieben unsere Vorgesetzten. Es waren zum Teil hochdekorierte Leute, wie
Ritterkreuzträger, dabei. Mit diesen Leuten war es besonders leicht auszukommen. Die hatten ja auch
einiges an Schlamassel mitgemacht. Schlimmer waren die Fahnenjunker. Diese waren zum Teil unsere Gruppenführer, fanatisch und ehrgeizig.
Unser Spiess, der auch mit zur Front kam, hatte sich während unserer Ausbildung
mit seinem fast krankhaften Drill mehr als unbeliebt
gemacht.
Wir
wurden auf LKW mit Holzgasantrieb verladen und fuhren so schwer beladen in
Richtung Front.
Die Fahrt ging durch Böhmen, Niederdonau über Znaim Richtung Krems. Am 07. 04. 1945 abends bei Krems a.d. Donau wurden wir in
die Frontlinie eingereiht. Wir mussten uns eingraben.
Der Blick über die Donau war herlich. Drüben sollte schon der
Russe sein. Ich habe aber keinen gesehen. Es fiel auch kein Schuss. Neben uns lag eine Einheit von
ehemaligen Flak Soldaten (nur Infanterie). Das waren
grösstenteils ältere Leute. Als sie uns sahen,
schüttelten sie den Kopf und sagten: "Jungs, geht bloss nach Hause".
Darauf wurde uns strengstens verboten mit denen zu sprechen.
Am Tag wurden wir aus den Löchern
zurückgezogen. Nachts ging es
wieder rein. Das ging in völliger Ruhe einige Tage gut.
Am 16. 04. 1945 mussten wir wieder in unsere Autos
steigen und fuhren Richtung Osten. Bei einem Dorf südöstlich Lan
a.d. Thaya mussten wir uns als zweite Linie wieder eingraben. Ich hatte mein
Loch mit meinem Kameraden noch nicht halbfertig, da wurden wir von unserem
Zugführer (freiwillig) eingeteilt, einen schwer verwundeten Soldaten einer
anderen Einheit nach hinten zu tragen. Wir waren vier Mann
zum Tragen. Die Trage bestand nur aus einer Wolldecke. Diesem Soldaten war das ganze Bauchfell weggerissen worden.
Zum Teil konnte man die Eingeweide schon sehen. Aber er lebte noch. Er war aber mehr ohnmächtig als wach.
Wir
konnten auf unserem Weg voll vom Russen eingesehen werden, aber es fiel kein
Schuss in unserer Richtung. Auf dem Rückweg wurden wir dann aber sogar von
Granatwerfern beschossen. Wir vier kamen aber wieder
wohlbehalten bei unserer Kompanie an. Das war allerdings unsere erste, äusserst
kräftige Feuertaufe. Wir wurden nochmals auf dem
Gelände neu verteilt. Mit zwei Gruppen lagen wir links neben der
Strasse, die in ein kleines Dorf führte, auf halber Höhe eines Abhangs
(Weinberg) in Stellung.
Einige Kameraden und ich lagen in einem
Hohlweg. Nach
oben hin durch eine ca.
Auf der anderen Seite der Straße, hinter
einem Hügel, vom Dorf nicht einsehbar, lag unsere Restkompanie. Man teilte uns
mit, dass wir auch dahin kommen sollten. Dazu mussten wir den Abhang runter und
die Strasse überqueren, die voll von den Russen im
Dorf einsehbar war. Zu allem Überfluss war da ein dichtes Gestrüpp (Hecke) vom
Hohlweg aus, das nach unten mit Anlauf übersprungen werden mute (inkl.
Gepäck!!). Alle kamen auch ohne getroffen zu werden gut rüber. Ich blieb beim
Sprung in der Heckenkrone hängen und zappelte da oben wie ein Ertrinkender rum.
Ich sah auch von da oben ein
russisches MG-Nest etwa auf halber Strecke zwischen Dorf und uns. Glück für
Unten bei der Kompanie hiess es dann, wir
sollten bald das Dorf angreifen. Auch diese Zeit davor bleibt unvergessen. Das
sind schlimme Stunden und Minuten vor einem Angriff. Das Warten ist nervtötend. Das Dorf einzunehmen war dann gar nicht so schwierig, wie vermutet.
Wir hatten allerdings viel Schwierigkeiten mit unserer
Gewehrmunition. Es waren lacküberzogene Eisenpatronenhülsen und die
klebten nach einem Schuss immer einen kurzen Augenblick im Gewehrlauf fest. Das
war nicht gerade beruhigend. Im Dorf durchkämmten wir dann
alle Häuser, Scheunen usw. Auf der Strasse lag
ein toter russischer Offizier mit gespaltenem Schädel. Dem
nahm ich die Pistole ab. Da kam ein deutscher
Wehrmachtsoffizier auf mich zu und verlangte die
Pistole. Ich
hatte auch so genug zu schleppen. In den Häusern war sehr viel geplündert worden. Ein
Russe wurde noch von einem anderen Zug bei einem Überfall und der Misshandlung
einer Frau erwischt. Den hat man gleich erschossen.
Ich hätte beinahe eine deutsche Frau
erschossen. Aus einer von aussen verriegelten Kellertür sah ich, wie jemand
durch ein Loch in der Tür von innen auf mich zielte. Ich habe sofort geschossen. Gott sei Dank daneben,
denn es war eine Frau mit einem Stück Rohr, die sich nur bemerkbar machen
wollte.
Die erzählte uns, dass der Russe auch einige
Frauen mitgenommen hätte. Ich selbst bin einem Russen im Gefecht nie so nah
gewesen, dass ich das Weisse in den Augen hätte sehen können. Auf so einen dann
schiessen zu müssen, hätte mich wohl doch einige Überwindung gekostet. Aber die ständig sich überschlagenden Ereignisse, als auch neue
Eindrücke, liessen uns nicht viel Zeit zum Nachdenken. Wir haben uns auch bald
wieder aus dem Dorf zurück gezogen.
________________________________________________
Die Russen waren nicht aufzuhalten gewesen
und unser Haufen wurde immer kleiner. Nach dem Absetzen versammelten wir uns
meistens zum Zählen. Einmal weiss ich, fehlte einer aus unserem
Nachbarschützenloch. Unser Zugführer meinte, dass wir versäumt hätten, den
Befehl zum Absetzen weitezugeben, wir waren mit unseren Löchern auf Rufweite
auseinander. Na ja, ich bekam den Befehl, Kamerad X zu holen. Vielleicht war er
eingeschlafen in seinem Loch. Alleine zurück ohne zu wissen, ob der Russe schon
da ist ! Und das im Halbdunkeln. Als ich angekommen war, entdeckte ich, dass Kamerad
X tot war. Als es hell wurde, sah ich, das das Gewehr
rot vom Blut war.
Ein anderes Erlebnis. Einer unserer Gruppenführer
(Fahnenjunker), ohne Auszeichnung, unterhielt sich mit unserem Zugführer (Die
waren miteinander befreundet). Der Zugführer war hochdekoriert! Der Zugführer
über-gab dem Junker einen Brief und sagte: "Ich glaube nicht, dass ich
hier herauskomme. Wenn ich falle, gib bitte diesen Brief meiner
Verlobten". Aber ich hörte weiter, dass der Junker zu gerne das EK 1 mit
nach Hause gebracht hätte. Da durfte der Junker sich dann Freiwillige für eine
Art Spähtrupp aussuchen. Davon waren, als er zurück kam, mehr tot, als er
gefangene Russen mitbrachte. Ob er dafür das EK 1 bekam, kan ich nicht sagen. Das ich dieses
Gespräch mitbekommen hatte, war beiden sicher höchst peinlich. Leider, leider weiss ich die
Namen der beiden auch nicht mehr.
Ich habe sehr viele Daten und Orte
vergessen. Diese konnte ich aber von meinem ehemaligen Kriegkameraden Harald
Koopmann aus seinem exakt geführten Tagebuch entnehmen, das er trotz Krieg und
Gefangenschaft mit nach Hause durchbringen konnte. Dafür bin ich ihm sehr
dankbar. Sicher hatten viele Soldaten ähnliche Erlebnisse. Aber da wir zu der
Zeit erst 15 und 16 Jahre alt waren, wollte ich das schon immer festgehalten
haben. Leider weiss ich den Namen meines Kameraden, der mit mir in dem
Schützenloch lag, auch nicht mehr.
Da lagen wir zu
zweit in dem
Ich hatte mal mein Kochgeschirr auf die Lochkante gestellt. Es machte nur kurz "peng" und weg war
es. Unmittelbar
vor unserem Schützenloch ist auch unser Spiess gefallen. Man munkelte aber bei
uns, dass er versehentlich von eigenen Leuten erschossen worden sei. Er hat sich angeblich mit offenem Mantel und ohne
Kennwort nachts auf die Löcher zubewegt. So ähnlich liefen auch die Russen
voran.
Wir müssen wohl ganz
schön verdreckt gewesen sein, denn an Waschen und
Wäschewechsel war nicht zu denken. Ich träumte in meinem
Schützenloch oft davon, einmal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen.
Ich wollte, weiss ich noch ganz genau, immer einmal gerne
wieder das Geräusch einer bestimmten Tür von zu Hause hören.
Dann hiess es mal
wieder nachts, "wenn eine grüne Leuchtkugel erscheint: Rückmarsch!" Es wurden viele Leuchtkugeln abgeschossen in dieser Nacht, aber
eine grüne haben wir nicht gesehen. Es wurde schon
wieder hell und noch immer gab es keinen Befehl zum Abrücken. Die Russen
schossen aber auch nicht mehr. So verhielten wir uns ruhig bis zum Abend. Dann merkten wir, dass alle links und rechts von
unserem Zug abgerückt waren. Wir hatten glücklicherweise
einen erfahrenen Zugführer. 20, vielleicht 30 Soldaten
mögen wir gewesen sein. Wir konnten die Russen rechts unten,
vielleicht zwei Kilometer weg, mit ihrem LKW fahren hören. Die dachten wohl, dass wir alle weg waren, sonst
wäre es uns wohl dreckig ergangen.
So
sammelten wir uns um unseren Zugführer und marschierten auf Schleichwegen (nie
auf Strassen) los.
Wie uns wohl zumute war: Aber das Vertrauen in unseren Zugführer war gross. Wir
mussten ja auch Ortschaften, offenes Gelände usw. umgehen. Wir sind ohne
Kompass, Karte oder anderen Hilfsmitteln marschiert. Irgendwann stellten wir
aus irgendeinen Grund mit einem riesigen Schrecken fest, dass wir uns hinter
den russischen Linien befanden. Wir waren also genau in die
verkehrte Richtung gelaufen. Es könnte zwei Tage vorher gewesen sein, dass wir
da falsch marschiert sind. Der Magen hing uns in der Kniekehle. Aber die Angst entdeckt zu werden, trieb uns voran. Ich weiss
nicht mehr, wie lange wir gebraucht haben, aber wir hatten es tatsächlich
geschafft mit Gewaltmärschen und ohne Essen durch die
russischen Linien zu kommen. Wahrscheinlich hatte der Russe sich auf den
Strassen gesammelt, um weiter zu marschieren, und wir sind mit unheimlichen
Glück durch die Lücke durchgekommen. Wenn wir versucht
hätten, durch eine kämpfende Einheit oder Front zu kommen, wären wir wohl
entdeckt worden.
So kamen wir dann
erst mal in ein Niemandsland hinein, denn die deutschen Truppen hatten sich
wohl schon weiter abgesetzt. Da kamen wir dann in eine Stadt rein, die total
verlassen und dunkel war. Wir zogen nun los, um Verpflegung
zu ergattern. Tatsächlich fanden wir ein grosses Verpflegungslager der
Wehrmacht. Es wurde von einem Soldaten (vielleicht auch
Offizier) bewacht. Der hatte sich die Adler Schulterstücke schon alles
runtergetrennt. Der Haken war nur, dieser Mann wollte nichts an uns
herausrücken. Unser Zugführer sagte: "Jungs, Ihr geht mal bis zur
nächsten Ecke". Dann krachte ein Schuss, und das Verpflegungslager stand
uns zur Verfügung.
Unser Zugführer hat uns nie erzählt, dass er
den Mann erschossen hatte. Wir
haben dann gegessen, was nur hineinging. Ich hatte Schmalz mit Händen gegessen. Durchfall
und Magenverstimmung waren garantiert.
Dann
ging es nach kurzer Zeit und voll bepackt auch schon wieder weiter. Wie lange wir
brauchten, weiss ich nicht, aber wir fanden bei all diesem Durcheinander
tatsächlich unsere Einheit - oder was davon übrig war - wieder. Nach dem Tagebuch von Harald Koopmann waren es ca. 16 Mann. Mit uns zusammen war es wohl knapp eine Zugstärke. Dieses
muss ca. Ende April 1945 gewesen sein. Wir mussten noch
einige dramatische Gefechte durchstehen. Man hatte uns auch neu
aufgeteilt. Aus mehreren ehemaligen Kompanien wurde eine
gemacht.
Verwundete
blieben mitunter einfach liegen. Einen aus unserer Gruppe mit total
zerfetzten Bein, hatten wir schon eine ganze Weile getragen. Da sahen
wir, als wir uns nach hinten schauten, etwa zwei
Kilometer entfernt über einen Weinberg schon russische Soldaten kommen. Es
fuhr ein Wehrmachtsoffizier vorbei. Den hielten wir an und fragten, ob er nicht
den Verwundeten mitnehmen konnte. Er verneinte aus irgend einen vagen Grund.
Wir mussten diesen Jungen, vielleicht nicht einmal 16 Jahre alt, auf Befehl
unseres Zugführeres liegen lassen. Der Zugführer, erinnere ich mich, gab dem
Jungen seine eigene Pistole.
(Alles Wahnsinn)
Aber zu der Zeit hatte man gar keine Zeit,
viel nach-zudenken. Dann war es auch höchste Eile, dass wir da verschwanden. Dieses passierte in der Nähe
von Zneim (Zuojmo). Wir marschierten in der Kolonne
und wurden von LKW und Pferdefuhrwerken des Trosses laufend überholt. Wir zu Fuss waren alle restlos fertig.
Einige,
ich auch, schliefen sogar beim marschieren fest ein. Ich fragte den Zugführer, ob ich und noch vier
Mann mit dem Panjewagen ein Stück voraus fahren dürften. Das
wurde uns unter der Bedingung erlaubt, im nächsten Dorf auf unsere Einheit zu
warten. Das taten wir dann auch.
Es wurde Abend und langsam dunkel, aber unsere Einheit kam nicht. Es war unheimlich diese Ungewissheit. Das
Dorf war auch restlos verlassen. Wir holten uns aus einem Haus einen
Küchenwecker und schoben am Dorfeingang Wache. Es war noch dunkel, da hörten
wir Panzergeräusche. Unsere Nerven waren zum Zerreissen
gespannt. Wir liessen den ersten Panzer vorbei.
Beim zweiten waren wir sicher, dass es deutsche Panzer waren,
beim dritten machten wir uns dann bemerkbar. Der
hielt dann glücklicherweise an und nahm uns mit. Es waren Königstiger, riesige
Kolosse.
Erstmal war es schön
warm durch die Motorwärme, und wir konnten uns auf dem glühenden Auspuff Bratkartoffeln
machen. Die Panzerbesatzung erzählte uns, dass der Russe alles
eingekesselt hatte. Bei unserer Fahrt vorher mit dem Panjewagen kam ich auch an
Harald Koopmann vorbei und sagte zu ihm: "Komm doch mit bis zum nächsten
Dorf!" Aber er wollte nicht. So wurde er auch eingekesselt und kam in
Gefangenschaft. Wir fuhren mit den Panzern immer weiter in Richtung Westen.
Auf diesem Weg mit den Panzern konnten wir
erleben, dass die russischen Flugzeuge beim Angriff
auf die Rückzugdrecks (Pferdefuhrwerke, LKW und viele Menschen) ganze Arbeit
geleistet hatten. Es waren auch viele Flüchtlinge dabei. Es brannte noch in
dieser kilometerlangen Kolonne. Der Geruch von verbrannten Menschen und Pferden
hatte ich noch zwei Jahre nach Kriegsende in der Nase. Die Panzer mussten nach und nach gesprengt werden, weil der Sprit alle war. So fuhren dann
alle Mannschaften zuletzt auf einem Panzer. Das wurde
natürlich eng. In einem voll mit Wehrmacht besetzten
Dorf mussten wir dann auch runter. Irgendwie konnten
wir uns dann auch Marschbefehle beschaffen. Ohne diese wurde man an dem nächsten Baum aufgehängt, wenn einen die
Feldgendarmerie erwischte.
Solchen
Aufgehängten waren wir auf unserem Weg schon genügend begegnet. Irgendwie kam ich dann mit mehreren
Soldaten auf einem LKW mit. Es mussten immer mehrere Soldaten zusammen sein,
denn wer Tschechen in die Hände fiel oder den
freigelassenen ehemaligen KZ-Häftlingen hatte nichts zu lachen. Diese liessen dann ihre aufgestaute Wut an den Leuten aus.
Einen Marschbefehl,
weiss ich noch, bekamen wir in einer Stadt, wo auch
eine hübsche Burg gelegen war. Dort feierten eine Menge auch hoher
Offiziere, eine wahre Alkoholorgie. Einer hatte wohl Mitleid mit uns, obwohl
wir zur SS gehörten, und stellte uns den lebenswichtigen Marschbefehl aus. In
einer offenen Scheune war ein langer Tisch aufgestellt. Auf diesem Tisch
tanzten Frauen, urinierten sogar in Sektgläser.
So etwas Wildes habe ich in meinem ganzen
Leben nicht wieder gesehen. Wir waren wohl richtig geschockt. Wir waren ja auch noch
so jung und nicht mal richtig aufgeklärt. Wir sind
auch bald nach diesem Burgbesuch weiter nach Westen gefahren. Irgendwie kamen
wir nach mehreren Abenteuern, die ich im Detail nicht mehr im Kopf habe, in der
Nähe von Kamp zum Amerikaner.
_________________________________________
Im Lager kam die
Parole auf, dass das Lager geschlossen den Russen übergeben werden sollte. Da
habe ich meine Siebensachen unter den Arm genommen und bin aus dem noch schwach
bewachten Lager rausgeschlichen. Dabei lernte ich einen Niederländer und einen
Hamburger kennen, die dieselbe Absicht hatten. Wir sind nachher nur nachts
marschiert. Abends versuchten wir, etwas zu Essen bei den Bauern zu ergattern. Das klappte auch
meistens ganz gut.
Ich
hatte zu allem Überfluss auch noch so eine Art Ruhr. Wenn die beiden Landser nicht gewesen wären,
wäre ich wohl elendig umgekommen. Auch die Angst, in den Wäldern von
freigelassenen KZ Häftlingen erwischt zu werden, war gross. Weshalb
und warum, begriff ich erst später.
Uns
dreien ging das zu Fuss gehen mittlerweile zu langsam. Da sahen wir vom Berg aus vor einem Bauernhof
einige Pferde weiden. Wir haben uns nicht lange besonnen und uns drei Pferde
von der Weide geklaut. Es waren zwei russische Panjepferde und ein deutsches
Reitpferd. Gott sei Dank hatten alle drei Pferde Mundstücke und Zügel, aber
keine Sättel. Ich hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Die beiden anderen
Landser hatten da schoneinige Erfahrung. Der Niederländer und ich nahmen uns die beiden Panjepferde. Das Schlimmste war, wenn der
Niederländer mal mit seinem Pferd ein Trab vorlegte, dann wollte mein Pferd
gleich immer hinterher.
Die beiden Panjepferde sind wohl längere
Zeit ein Gespann gewesen. Es
dauerte so seine Zeit, bis wir beide uns einig wurden.
Wir ritten meistens am Tag oberhalb der Verkehrswege. Denn der Amerikaner
war schon oft unten auf den Strassen zu sehen. Wir wollten weiter nach Westen. Zusammen sind wir ca.
Meine
beiden Freunde waren in der Nacht meistens bei irgendwelchen Frauen. Ich musste immer schön brav in der Scheune
schlafen, bis die beiden wiederkamen. Am frühen Morgen ging es wieder in die Berge. Ich hatte immer noch meinen Durchfall und musste oft
Halt machen. Meine beiden Freunde haben immer gewartet. Alleine hätten
sie es wohl auch leichter gehabt. Einmal haben wir einen ganzen Tag Pause
gemacht, denn unsere treuen Pferde brauchten auch mal eine längere Pause. Meine
Freunde hatten mich bei einer jungen Frau untergebracht. Diese wollte gerne,
wenn ich wollte, dass ich bei ihr bliebe, bis sich alles normalisiert hätte.
Aber abends ging sie zu irgendeinem Amerikaner, die in der Nähe stationiert
waren. Da ging ich doch lieber mit meinen Freunden weiter. Die beiden hatten das
Bleiben bei dieser Frau eingefädelt.
Auf unserem Ritt trafen wir auch viele
andere Landser, die sich wie wir schon Räuberzivil besorgt hatten. Da gab es
Typen mit grossem Einfallsreichtum, um sicher weiter nach Westen zukommen. Bei
einer Rast auf einem Bauernhof lernten wir so einen kennen. Der hatte sich
irgendwie einen Leiterwagen beschafft. Das Pferd dazu hat er wohl auch nicht
geschenkt bekommen. Aber so konnte er ganz frech die Strassen benutzen. Die
Amis, die vorbeifuhren, grüsste er immer. Die dachten wohl, dass ist einer von
irgendeinem Bauernhof in der Nähe. Er sagte uns, dass er sogar von der
amerikanischen Militärpolizei, die auf Kreuzungen stand, eingewiesen wurde. Wir
mussten uns aber weiter in den Bergen fortbewegen. Wir stiessen einmal auf eine
Gruppe Landser mit fast 50 Pferden. Diesen schlossen wir uns kurz an. Ein Offizier führte
diesen Haufen an. Der kannte viele Schleichwege. So
ein Haufen von 50 Pferden und Reitern war schon imponierend, aber auch höchst
riskant.
Wir haben uns bald wieder in kleinen Gruppen
getrennt. Irgendwann später machten wir in einem kleinen Dorf Rast bei einem
größeren Bauern. Dieser Bauer hat für uns den Tisch reichlich decken lassen.
Vom Ami weit und breit nichts zu sehen. Das Risiko erwischt zu werden, wurde
aber immer grösser. Wir entschlossen uns, dem Bauern die
Pferde gegen Gebot zu verkaufen. Wir bekamen einen geräucherten Schinken und
mehrere hundert Zigaretten. Ich glaube, dass ich Tränen in den Augen hatte als
ich Abschied von meinem treuen Pferd nehmen musste.
Mit einem Mal war der Ami auf dem Hof und
wollte uns gefangennehmen. In der Zeit, als wir beim Essen waren, hatte der
Bauer sich durch die Hintertür auf die Socken gemacht
und beim Ami Bescheid gesagt, dass da drei Soldaten bei ihm auf dem Hof sind. Es waren nur ein
paar Amis im Dorf. Meine Pistole hatte ich schon länger nicht mehr. Wehren wollten wir uns sowieso nicht. Die Amis nahmen uns
dann bis zu dem Haus mit, wo sie sich einquartiert
hatten. Wir drei mussten uns dann auf der Strassenseite des Hauses
hinsetzen und der Dinge harren. Die Amis gingen dann erst mal rein und haben
sage und schreibe erst mal Mittag gegessen. Wir sassen ganz ohne Bewachung draussen.
Aber
auszurücken wagten wir auch nicht. Wenn ich hätte englisch sprechen
können, hätte ich glatt gefragt, ob ich noch mal zum
In meiner Dummheit und Angst hatte ich mein
Wehrmachtssoldbuch weggeworfen. Denn da war ja auf irgendeiner Innenseite der
Stempel der SS-Einheit drin, zu der man uns ja gegen unseren Willen eingezogen
hatte. Es war ja bekannt, dass man mit Angehörigen der SS nicht zart umging.
Meine Freunde und ich blieben aber noch zusammen. Dann kamen wir in ein
Sammellager. Im Gefangenenlager wurden wir erstmal sortiert, Arme hoch und nach
tätowierten Blutgruppen gesucht. Diese kamen erst mal rechts raus. So wurde ich
von meinen Freunden und dem Schinken getrennt. Abschneiden oder teilen ohne
Messer, die man uns abgenommen hatte, konnten wir nicht. Wir sahen uns leider
nie mehr wieder.
_______________________________
Alle von der SS kamen zuerst mal in ein
grosses Sammellager (ca. 10 000 Mann) auf eine grosse Wiese. Nichts zum Essen
und keine Decken. Nachts war es hundekalt. Unsere Toilette war ein langer
Graben mit einem Baumstamm darüber zum Sitzen. Das war eher immer ein
Balanceakt, denn man konnte sich ja nirgendwo festhalten. Wir waren auch
grösstenteils sehr geschwächt. Das Einzige, was wir hatten, waren Läuse. Da
sass ich dann am Tag, wie andere auch, wenn die Sonne schien, und knackte
Läuse. Mittlerweile wurden Gruppen eingeteilt mit Kurieren. Denn
es sollte Verpflegung geben. Es gab, kaum zu glauben, für 100 Mann eine Dose
Rindfleisch und für 50 Mann ein Brot. Da halfen mir meine Zigaretten viel, denn
ich konnte hier und da mal ein kleines Stück Brot eintauschen.
Die Einwohner des nahegelegenen Ortes
(leider den Namen vergessen) warfen auch schon mal Brot zu uns herüber. Das war
für uns mehr als ein Geschenk des Himmels. Dieses Brot wurde auch nach strengen
Regeln verteilt. Es wurden auch fast die Krümel
gezählt. Wie viele gestorben sind, weiss ich nicht. Mancher musste auch aus
unserem Latrinengraben geholt werden. Es muss ja für den Ami wohl schwer
gewesen sein, plötzlich so viele Gefangene zu versorgen. Aber da alle von der
SS waren, hat er sich wohl mit der Versorgung nicht überschlagen.
Dieses Lager hat mehrere Wochen gedauert.
Einmal kam ein Amerikaner und suchte über 1000 Freiwillige, die einen
Stechschritt marschieren konnten. Der Ami wollte mal gerne so etwas filmen. Für
die Beteiligten sollte es Sonderverpflegung und Zigaretten geben. Er bekam
seine Freiwilligen und konnte filmen.
Ein deutscher höherer Offizier wollte mir
mal befehlen, vor einer amerikanischen Baracke zu harken. Ich war aber einfach
zu matt und verweigerte dieses. Da bekam ich eine kraftige Ohrfeige von diesem
Offizier. Da standen dann viele Mitgefangene auf und nahmen eine drohende
Haltung diesem Mann gegenüber ein. Gott sei Dank lief alles ruhig ab, denn der
Ami hätte glatt mit seinem MG dazwischen gefunkt.
Nach gut zehn Wochen kamen wir in mehrere,
verschiedene andere Lager. Ich kam auf einen ehemaligen Flugplatz. Da wurde von
uns dann ein einem ehemaligen Hangar auf halber Höhe der Halle ein Fussboden
eingezogen. Da
wurden wir dann untergebracht. Läuse waren durch Entlausung auch weg. Die
Verpflegung wurde auch etwas besser. Leider habe ich auch den
Namen des Flugplatzes vergessen. Wir haben auch da
noch auf dem Fussboden schlafen müssen. Wir, die auf
dem Zwischendeck schliefen, hatten es nachts ein bisschen wärmer. Wir
wurden dann nach kurzer Zeit nochmals auf andere Lager verteilt. Ich kam nach
Plattlingen. Zuerst in Zelte von unseren eigenen Planen, die wir noch hatten.
Eine Dreiecksplane gehörte mal zu unserer alten Ausrüstung. Wenn sich vier
zusammentaten, ergab es ein Zelt für vier Personen - war aber sehr eng. Aber
wir hatten wenigstens ein Dach über den Kopf. Bei Regen war es schon schlechter, denn die Planen
hielten ja nicht dicht. Die Verpflegung war auch sehr
knapp bemessen. Butter war so gross wie ein Zuckerwürfel (pro Tag ). Jeden Tag wurde zur Arbeit marschiert, vorne weg die
Offiziere. Die hatten es am besten, denn da konnte man die Kippen der weggeworfenen Zigaretten der Amis einsammeln.
Bald kam auch eine Beschwerde der anderen Soldaten an den Kommandanten des
Lagers, man möchte auch mal andere vorne marschieren lassen. Dies wurde aber
nicht geändert.
Neben mir stand beim Antreten oft ein Österreicher. Der
hatte eine Sicherheitsnadel, mit der spiesste er die
gefundenen Kippen auf und konnte diese so fast bis auf zwei Millimeter zu Ende
rauchen. Dieser Österreicher sammelte auch in den Mülleimern der amerikanischen
Küche leere Lebensmitteldosen und kochte diese mit Wasser aus zu einer
fürchterlichen Brühe. Aber der Magen hatte wenigstens etwas zu tun.
Wir bauten hier ein riesiges Barakkenlager
mit zwei- und dreistöckigen Betten auf. Später zogen wir da selbst rein. Es
waren immer grosse Blocks für rund 1000 Mann. Zehn
solcher Blocks wurden gebaut. Jeder Block hoch
mit Stacheldraht eingezäumt. Diese Blocks hatten eine Grösse
von 100 x
Ich habe auch mal mit dem Österreicher beim
Betten zusammenbauen gearbeitet. Das war ein harter Job. Denn wenn so ein Bett
fertig war, musste es im Dauerlauf mit 4 Mann zu einer Sammelstelle getragen
werden. Wenn der Posten nicht guckte, sagte ich immer: "Lauf doch mal ein
bisschen langsamer!" Aber mein Österreicher hatte immer die
Hosen voll und trieb uns mit an. Der Ami schoss schon mal, wenn es zu langsam
ging, eine Salve über uns weg. Die Bewacher des Bettenkommandos waren meist
jüdischer Herkunft. Es war ein ganzer Teil der Bewacher dabei, die Angehörige
im KZ verloren hatten. Meistens aus Polen, Deutschland oder Frankreich. Das
bekam man aber erst nach und nach zu wissen. Richtige Vorstellungen von einem
KZ hatte ich sowieso nicht.
Die ersten Bilder des Greuels bekam ich bei
diesem Bettenkommando zu sehen. Ich wurde da von zwei Bewachern gerufen die auf so einem zweistöckigen Bett sassen. Als ich vor ihnen stand, zeigte mir der eine neue
Illustrierte, die voll von grausamen Bildern aus einem befreiten KZ war. Seine Eltern waren auch in Polen umgekommen. Wohl war mir nicht dabei.
Der andere Ami neben ihm verhielt sich sehr
zurückhaltend. Dann holte mit einem Mal der wütende Ami mit dem Fuss aus und
wollte mir mit seinem grossen Stiefeln ins Gesicht treten. Dieses hat der
andere Ami in letzter Sekunde verhindert. Ob ich da wohl froh war?
Mit meinen 16 Jahren
sah ich wohl mehr wie ein Kind als ein Mann aus. Ich wurde dann auch gleich wieder zum Arbeiten geschickt. Wie leichtsinnig man mitunter war, zeigt ein anderes Beispiel.
Da hatten wir einmal einen Bewacher, der schoss gern auf Dosen
und ähnliches. Von dem wurde ich mal gefragt, ob er
mir eine Zigarette aus dem Mund schiessen durfte. Ich
willigte in meinem jugendlichen Leichtsinn ein. Er schoss und es ging
alles gut. Ich glaube, ich bekam ausser Zigaretten auch
Schokolade von ihm. So etwas macht man nur einmal.
Später suchte der Ami für seine Kolonne die Leute, die er haben wollte, selber
aus.
Ich wurde immer von einem geholt, der den
Kraftfahrzeugpark des Bataillones unter sich hatte. Ich wurde von ihm
"Sneip" genannt. Morgens wenn er kam und seine Leute holte, sagte er
ständig zu mir: "Snipe (Sneip), come on". Ich konnte ja nicht viel
englisch. Bei unserer Unterhaltung pfuschte immer ein anderer Gefangener
dazwischen und wollte übersetzen. Später erzählte mir der Ami, dass er keine Kinder
habe und in Amerika eine grosse Autowerkstatt mit Tankstelle besässe. Ob ich
nicht mit ihm nach Amerika kommen wollte. Ich wollte aber endlich mal wieder
nach Hause und so wurde aus diesem einmaligen Angebot dann nichts. War vielleicht ein
Fehler, wer weiss??
Mittlerweile
wurde unser Barackenlager auch bezugsfertig. Das Lager hatte eine breite Strasse
in der Mitte. Links und rechts der Strasse waren
jeweils fünf Lager zu jeweils 1000 Mann. Das ganze war rund
500 bis
Das gesamte Lager, rund 10 000 Mann, waren
alles ehemalige SS-Angehörige. Es mögen auch noch andere Nationalitäten da gewesen
sein. Ich habe
hauptsächlich noch die Russen in meiner Erinnerung. Der
Lagerleiter im Rang von einem Oberstleutnant hiess Cäsar (oder Zäsar). Sein
Stellvertreter Oberstleutnant Neumann, ein Fahnenjunker, und ich teilten uns
einen grösseren Schlafraum. Jeder hatte sein Zwei-Etagenbett. Abgeteilt hatten
wir unsere Ecken mit Wolldecken. Wir hatten es uns so richtig gemütlich zurecht
gemacht. Ich war natürlich
für die Sauberkeit zuständig. Unsere Betten haben wir selber
gemacht. Der Lagerleiter Cäsar war ein ehemaliger
Rittergutsbesitzer. Im Lager erfreute er sich grosser Beliebtheit.
Sein Vertreter, Neumann, war dagegen ein
aalglatter Typ. Von mir wollte er immer einiges in Erfahrung bringen über Cäsar
und sein Tun und Lassen wissen. Da musste ich immer sehr vorsichtig sein. Er
äusserte sich immer gegenüber dem Fahnenjunker (Namen leider vergessen), dass
er eigentlich Kommunist sei. Der Lagerleiter und Vertreter waren schon über 50
Jahre alt. Der Fahnenjunker war ungefähr 24 Jahre alt. Er war Journalist und wollte, wenn er wieder Zuhause
war, wieder seinen Beruf ausüben.
Das Zimmer nebenan
von uns war auch von einem äusserst interessanten Mann belegt. Der war Leutnant
oder Oberleutnant. Seine Funktion in der Lagerleitung
war es hauptsächlich, zu dolmetschen. Hier tut es mir
besonders leid, dass ich den Namen vergessen habe. Das war so ein
richtiger Abenteuertyp und Frauenheld noch dazu, wie sich später herausstellte.
Ihm waren an beiden Füssen alle Zehen abgefroren. Wie er mir erzählte,
war er früher mal Rollschuhkunstläufer gewesen. Er hatte sich mit einem
amerikanischen Offizier angefreundet. Die beiden hatten sich etwas
Unglaubliches erlaubt. Das Lager existierte ja schon einige Zeit. Verpflegung, Unterkunft, alles war mittlerweile
mehr als sehr gut geworden. Zigaretten gab es auch. Zigaretten wurden unsere Hauptwährung. Durch die
Marketender-Zigaretten sank natürlich der Tauschwert dieser Währung.
Nun zu den beiden Offizieren und ihren
unglaublichen Abenteuern. Anders kann man das wohl nicht nennen. Da kam eines
Abends der amerikanische Offizier, wie sonst auch, mit dem Jeep angefahren und
besuchte den SS-Offizier. Nur diesmal sassen bei der Wegfahrt zwei Offiziere in
amerikanischen Uniformen im Jeep. Da hatte der Ami tatsächlich für seinen
deutschen Freund eine amerikanische Offiziersuniform mitgebracht. So sind sie
dann auch nach München gefahren und haben Mädchen aufgerissen.
Ich konnte kaum glauben was ich da gesehen
hatte. Das haben die beiden mehrere Male gemacht.
Dieser gefährliche Leichtsinn ist glücklicherweise nie entdeckt worden. Auch
von deutscher Seite nicht. Für den Ami hätte das wohl den Ausschluss aus der
Armee bedeutet oder mehr, wenn man die beiden erwischt
hätte. Der Ami war sowieso nicht zimperlich bei der Bestrafung.
Durch meine Arbeit als Bote und Überbringer
hatte ich sehr viele Freunde und Bekannte im Lager, aber auch misstrauische
Neider. Ich konnte ja mit meinem Ausweis in jedes Lager gehen und Besuche
machen. Das war sonst für die anderen streng verboten.
Aber immer aus der Lagerleitung zu verschwinden, war auch für mich nicht zu
jeder Zeit möglich.
In einem Lager, wo ich öfters mal war, gab
es etwas besonderes Trauriges zu sehen. Da waren drei junge Soldaten, nicht
viel älter als ich, die schwer kriegsverletzt waren. So etwas habe ich auch später nie wieder gesehen. Bei zwei von den dreien waren
beide Arme und Beine weg. Nur noch der Rumpf und der
Kopf waren da. Diese beiden waren trotz ihres
Schicksals voll unglaublicher Dinge und Witz. Die beiden waren auch von
ihren Kameraden aufopfernd und rührend umsorgt. Die Kameraden hatten auch alle
möglichen Hilfsmittel zur Lebenserleichterung für die beiden gebaut. Der
Ami nahm sogar regen Anteil an diesen vom Schicksal so hart gebeutelten jungen
Menschen.
Wenn diese beiden
nicht so enorm gut versorgt gewesen wären, hätte der Ami diese Menschen in ein
Krankenhaus gebracht. Wie lange ein Mensch so leben
kann, weiss ich nicht. Der Dritte hatte es etwas leichter, weil er
noch seine beiden Arme hatte. Für den hatten seine Kameraden so ein Brett mit
Rädern gebaut. Damit konnte er sich wenigstens in der Baracke bewegen.
Bei den Russen war ich auch immer gerne. Bei
denen war es wie in einer richtigen Dorfgemeinschaft. Die hatten sogar einen
Pastor da. Der Pastor lebte in dem Lager sogar mit seiner Frau zusammen. Dieses
Ehepaar hatte mit einigen anderen auch mal ein Theaterstück einstudiert. Es
konnte mit der Erlaubnis der Amis aufgeführt werden. Wir von der Lagerleitung
waren bei der Uraufführung dabei. Es mögen 500 Zuschauer dabei gewesen sein. Es war natürlich nur eine bestimmte Anzahl auf
einmal erlaubt. Es gab viel Beifall. Aber dann, zum Schluss
des Stückes, sang die Frau des Pastors (einzige Frau
im Lager) : "…Heimat deine Sterne…". Da flossen Tränen.
Aber als die schöne
Russin mit dem Lied zu Ende war, folgte ein Beifall, Geschrei und Getobe, dass
der Russin wohl der Angstschweiss ausbrach. Das hörte sich auch beängstigend
an.
Das hatte sogar den Ami auf die Beine gebracht. Der kam mit einem Wagen voller Soldaten
an, um den vermeintlichen Aufstand niederzuschlagen. Aber er brauchte mit seinen durchgeladenen MPs nicht
einzugreifen, als er hörte, was die Ursache war. Das
war so ein Erlebnis, was man nicht vergisst !
Das
Lager selbst war noch streng bewacht. Bei den Arbeitskommandos war die
Bewachung nicht mehr ganz so streng. Es haute aber
auch keiner ab, denn erstmal wollten alle ordnungsgemäß mit Papieren entlassen
werden, sonst bekamen sie draussen keine Lebensmittelkarten usw. und die vielen anderen Soldaten, die aus den ehemaligen Ostgebieten
kamen, wehrten sich halbwegs gegen eine Entlassung, da sie ja kein Zuhause mehr
hatten. Das war natürlich ein besonders hartes
Schicksal für diese Menschen.
Ich glaube, wenn der
Ami mal für ein paar Tage seine Bewachung aufgegeben hätte, wäre keiner
getürmt. Denn wir hatten es mittlerweile im Lager besser, als die meisten Menschen ausserhalb des Lagers. Ganz zu
schweigen von den Flüchtlingen, die im Lager lebten.
Es gibt, wie überall, immer wieder Menschen,
die ihre relativ gute Lage übel ausnutzten. So auch dieses fast unglaubliche
Erlebnis. Es war mitten in der Nacht, als uns der Ami schwer bewaffnet aus den
Betten jagte. Da war folgendes passiert: Die
Arbeitskolonnen gingen morgens immer in 10er-Reihen zum Zählen durch das
Haupttor zur Arbeit oder zum LKW, wenn weiter entfernt gearbeitet wurde. Dabei
hatten es einige bei ihren Jobs fertig gebracht, mehrere Frauen kennen zu
lernen. Diesen Frauen, fünf bis zehn, haben sie dann Lageruniformen angezogen
und die gleiche Anzahl Landser draussen gelassen. Die Frauen wurden in diesen Zehnerreihen mit
untergebracht und so durch das Haupttor mit eingeschleust. Der
Ami hatte nichts bemerkt. Am nächsten Morgen sollte dann alles wieder getauscht
werden. Ob da Frauen bei waren, die zu ihren Männern wollten, kann ich nicht
mehr sagen. Jedenfalls hat dieses wohl irgend jemand den Ami wissen lassen.
Der Ami ist dann in die
betreffenden Unterkünfte gestürmt und hat die Frauen, so wie sie waren, aus den
Betten geholt. Am Ende der Strasse hat er dann einen Stacheldrahtverhau
gespannt. Dahinter mussten alle Frauen, nackt oder mit Hemd bekleidet,
verschwinden. Dazu
war es auch noch lausig kalt. Was mit den Männern geschah, weiss ich nicht mehr. Das
allerschlimmste für die Frauen war, dass am nächsten
Morgen alle Männer des gesamten Lagers da vorbei marschieren mussten.
Ich erinnere mich, dass die meisten von den
draussen gebliebenen Landsern ins Lager zurückgekommen sind (Strafen
unbekannt). Der Ami war natürlich stocksauer. Alle Vergünstigungen für das
gesamte Lager sollten gestrichen werden. Unsere deutsche Lagerleitung hat große
Anstrengungen unternommen, um alles einigermassen human verlaufen zu lassen.
Das Ganze war eine "Dummheit hoch drei". Der Ami wurde natürlich
strenger bei den Arbeiten ausserhalb des Lagers. Zu allen Lagern muss ich
sagen, dass der Ami uns immer verhört hat, um KZ-Bewacher und andere hohe
Funktionäre ausfindig zu machen. Aber die meisten
hatten sich wohl mit falschen Papieren eingedeckt und waren in der Masse untergetaucht.
Ab und zu erwischten sie aber doch einen.
Wir im Lager hatten schon sehr viel
ausgediente Uniformen der Amis an. Es musste groß hinten POW auf dem Rücken
stehen. Da waren die Gefangenen sehr erfinderisch: Die
Buchstaben wurden meistens mit Zahnpasta geschrieben. Wenn der Ami seine
Kontrolle beendet hatte, konnte man die Zahnpasta
wunderbar wieder auswaschen.
Weihnachten
1945 war ich noch in Plattlingen. Da gab es natürlich für die
meisten Gefangenen das große Heimweh. Es gab viele, die ihre Angehörigen und
ihr Zuhause bereits ein bis zwei Jahre schon nicht mehr gesehen hatten. Das Weihnachtsfest
selbst war wunderbar gestaltet. In der Lagerleitung war dieses natürlich besonders schön, weil wir nicht so viele Landser waren und uns alle
persönlich kannten. Aber ein Weihnachtslied zu singen, fiel
wohl alle wegen eines Kloses im Hals schwer.
Um diese Zeit herum
war es wohl auch, als wir zum erstenmal nach Hause
schreiben durften. Meine Eltern hatten ja seit
Weihnachten 1944 nichts mehr von mir gehört. Wir bekamen
spezielles Briefpapier vom Ami geliefert. Da konnte man sogar
mit Feder und Wasser drauf schreiben. Wo das Papier feucht wurde, wurde es
tintenblau. Zensiert wurde unsere Post auch. Aber unsere Angehörigen bekamen
endlich Post von uns. An Silvester habe ich keine Erinnerung mehr. Es war
natürlich strengstes Alkoholverbot. Aber ich glaube, unser Nachbar in der
Baracke nebenan, der mit dem Ami befreundet war, hatte eine Flasche Schnaps
gehabt. Dieser Mann war wirklich ein Lebenskünstler. Er konnte einfach aus
jeder Situation das Beste machen.
Etwa Mitte Januar 1946 hieß es, wir kämen in
ein anderes Lager. Die Parole ging um, dass Flüchtlinge in dieses Lager kommen
sollten. Ob was an dem Gerücht dran war, habe ich nie erfahren. Aber ob das
Lager ganz aufgelöst wurde, weiss ich nicht mehr. Ein Teil anderer Kameraden
und ich fuhren mit großen dreiachsigen LKWs und verrückten Fahrern zum
ehemaligen KZ Dachau. Ganz wohl war uns sicher nicht dabei. Aber es wurde nicht so
schlimm, wie wohl einige erwartet hatten.
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Wir waren ca. 1000 Mann, die aus dem
Kriegsgefangenenlager Dachau Mitte
Wir
wurden zuerst in grosse Nissenhütten geführt. Da mussten wir dann antreten und unser
Gepäck vor uns auf den Boden legen. Dann kam ein englischer Offizier mit einen Stock unter dem Arm (üblich
beim englischen Militär). Er hatte einen deutschen Wehrmachtsoffizier in seiner
Begleitung dabei, in einer grün gefärbten Uniform,
auch mit einem Stock unter dem Arm…
Die beiden schritten
unsere Front ab. Der deutsche Offizier nahm uns fast alle
unsere schönen Klamotten ab, samt meine Feldflaschen. Das grüne Personal,
ehemalige deutsche Wehrmachtsoldaten, nannte man abgekürzt GSO (German Service
Organisation). Der Engländer hatte diese GSO Leute als Fahrer, Wachpersonal
(unbewaffnet) und Dolmetscher bei sich beschäftigt.
Ob wir wohl wegen unserer Klamotten Wut im
Bauch hatten? Auflehnen wäre uns wohl nicht gut bekommen, und wir wollten ja
auch so schnell wie möglich nach Hause. Ein ganzer Teil der Gefangenen hatten
schon ihre Angehörigen benachrichtigen können, dass sie im Munster-Lager sind
und entlassen werden sollten. Viele Familien waren daher angereist und standen
ausserhalb des Zaunes und konnten sich mit ihren Männern und Angehörigen auf
diese Weise zum Teil nach jahrelanger Trennung wiedersehen.
Aber dann gab es den grossen Knall. Der
Engländer liess bekannt machen, dass alle gesunden und arbeitsfähigen Männer nach
England zum Arbeiten abtransportiert werden sollen (meistens im Bergwerk). Diese Nachricht
schlug wie eine Bombe ein.
Zur Untersuchung wurden im Freien Tische aufgestellt, wo
pro Tisch ein deutscher Arzt die Untersuchungen vornahm.
Als die Nachricht noch nicht bekannt war, waren alle
gesund. Aber nach Bekanntgabe der "Englandfahrt"
humpelte fast das ganze Lager. Viele haben sich mehr oder weniger schwer
verstümmelt, um nach Hause kommen zu können.
Bei dieser Untersuchung traf ich zu unser beider
Überraschung meinen Vetter Heinrich Nielsen (auch von Sylt) wieder. Er hat mich
auf Anhieb nicht gleich wieder erkannt. Denn es standen ja auch alle unter
grosser Anspannung. Mein Vetter wurde wegen seiner Fussverletzung entlassen.
Ich wurde, weil ich noch keine 18 Jahre alt war, entlassen. Die Freude darüber
kann man nicht beschreiben. Was wirkliche Freude ist, kann man nur durch solche
Erlebnisse erfahren.
Wir wurden mit reichlich Verpflegung
eingedeckt. Dann ging die Reise los. Erstmal ins Durchgangslager Segeberg.
Segeberg war auch Durchgangslager für Flüchtlinge. Dieses Elend, was wir da zu
sehen bekamen, war unbeschreiblich. Nicht nur, dass diese Menschen ihr Hab und
Gut in der verlorenen Heimat lassen mussten, es waren auch viele die von den
Russen schwer misshandelt worden waren. Die unglücklichen Kinderaugen vergisst
man auch nicht so leicht.
Wir
haben gleich unsere ganze Butter usw. an diese armen Menschen
verschenkt. Wir dachten natürlich auch, dass wir bald nach Hause kämen und dann
ja alles hätten (Irrtum). Wir machten uns, nach dem
wir unsere Papiere fertig hatten, auf den Weg Richtung Niebüll. Heute von Sylt
nach
Auf halben Weg vom
Bahnhof nach Hause traf ich, als erstes bekanntes Gesicht, unsere Nachbarin
L.G. Nach dreizehn Monaten Gefangenschaft und vier Monaten Militärzeit war es
natürlich ein überwältigendes Gefühl, unsere Strasse mit der bekannten Umgebung
wieder zu sehen. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich nun endlich
die Tür von Zuhause hören konnte, an die ich an der
Front oft gedacht habe. Das mögen kleine Dinge sein, aber sie können
eine grosse Bedeutung haben. Zuhause gab es natürlich das grosse Wiedersehen.
Meinen 18. Geburtstag konnte ich zu Hause feiern, obwohl ja alles knapp war.
Nun ging erst mal die
ganze Anmelderei los. Ich
war ca. 14 Tage zu Hause, da bin ich wieder zur Sylter Inselbahn und habe meine
abgebrochene Lehre als Maschinenschlosser
weitergemacht. Das war auch ein Erlebnis, die alten, bekannten Gesichter der
Gesellen wieder zu sehen. Es war auch wiederum eine komische Situation für
Eines Morgens, ich
war schon ungefähr ein Jahr wieder zu Hause und hatte länger geschlafen. Meine Mutter machte sauber. Fenster und
Türen standen zum Lüften auf, da knallte meine Zimmertür vom Durchzug mit
grosser Wucht zu. Ich hatte wohl auch gerade vom Krieg
geträumt. Ich hatte so einen Schreck (Schock)
bekommen, dass ein Arzt kommen musste.
Den Geruch verbrannter Menschen und Pferde
hatte ich immer noch zeitweise in der Nase. Aber meine Jugend hat mir viel bei
der Verdrängung des Erlebten geholfen. Ich wollte auch kaum mit jemanden über
meine Erlebnisse sprechen. Meine
Wut auf Uniformen war so gross, dass mir sogar die Bahnbeamten mit ihrer
Uniform ein Dorn im Auge waren.
Politisch war die Zeit auch interessant. Bei
Wahlveranstaltungen aller Coleur war es immer proppenvoll. Meine
Freunde und ich, besuchten fast alle Veranstaltungen aller Parteien. Aber mit
der Demokratie umzugehen, mussten wir erst noch lernen.